Berlin (dpa) - Die Stimmung im Profi-Rennsport scheint vergiftet. Kaum hatte das umstrittene Skandal-Team Astana den sofortigen Lizenzentzug abgewendet, richtete der neuseeländische Radprofi Greg Henderson via Twitter Doping-Anschuldigungen gegen Fabio Aru, einen der Top-Fahrer des kasachischen Rennstalls.
Sogar Tour-de-France-Sieger Vincenzo Nibali schaltete sich in die hitzig geführte Diskussion ein und forderte seinen italienischen Landsmann und Astana-Teamkollegen auf, rechtliche Schritte einzuleiten.
Weniger gesprächig war dagegen Brian Cookson. Für den Präsidenten des Radsport-Weltverbandes UCI ist der gescheiterte Versuch, das mit vielen Dopingskandalen behaftete Team aus dem Radsport zu entfernen, eine große Niederlage. Die UCI-Lizenzkommission war am Donnerstag nicht der Argumentation des Briten gefolgt und ordnete nur weitere Auflagen gegen das Astana-Team an. Damit darf der Rennstall des früheren Dopingsünders Alexander Winokurow weiter bei allen großen Rennen an den Start gehen. Eine freudige Nachricht insbesondere für Nibali, der bei der Frankreich-Rundfahrt im Sommer seinen Vorjahressieg wiederholen will.
Ein Beigeschmack aber bleibt. Bei der Entscheidung der Lizenzkommission waren moralische und rechtliche Richtlinien offenbar nicht zu vereinen. Womöglich hätte der Internationale Sportgerichtshof CAS wie schon im Fall Katusha einen möglichen Astana-Ausschluss kassiert, auch wären Klagen von Astana-Teammitgliedern gegen die UCI und die Lizenzkommission unausweichlich gewesen. Der bislang nie unter Dopingverdacht geratene Däne Jakub Fuglsang hatte entsprechende Schritte bereits angedeutet, wäre ihm die Arbeitsgrundlage genommen worden.
Offensichtlich haben der Lizenzkommission die neu vorgelegten Beweise nicht ausgereicht. Cookson hatte auf die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft Padua verwiesen. Darin waren 17 aktuelle oder ehemalige Fahrer des Astana-Teams in Verbindung mit dem lebenslang gesperrten Dopingarzt Michele Ferrari gebracht worden. Die fünf positiven Fälle aus dem vergangenen Jahr - zwei beim ProTour-Team Astana und drei in der Nachwuchsmannschaft der Kasachen - spielten bei der Entscheidung keine Rolle mehr.
«Natürlich habe ich auch Bauchschmerzen», sagte Iwan Spekenbrink, der Teamchef des deutschen Giant-Alpecin-Rennstalls und zugleich Vorsitzender der Profiteams-Vereinigung AIGCP, der Deutschen Presse-Agentur. «Es ist aber schwierig zu beurteilen, weil wir nicht die Details kennen. Wir müssen der Lizenzkommission vertrauen. Ich sehe aber den Willen der UCI, um weiter sauberen Radsport zu garantieren.»
Das Astana-Team verpflichtete sich indes, alle auferlegten Maßnahmen zu tragen. Dabei sollen Wissenschaftler der Universität Lausanne das Team streng überwachen und ein weiteres Verfahren einleiten, sollte das Team mehrere der auferlegten Bedingungen missachten oder neue Erkenntnisse auftauchen.
Die Erkenntnisse von Henderson gehören jedenfalls nicht dazu. Am Freitag machte der Teamkollege von André Greipel einen Rückzieher. «Wenn man krank ist, ist man krank. Vorschnelle Schlüsse zu ziehen, hilft niemandem. Aufrichtige Entschuldigung», schrieb Henderson und löschte seine Einträge wieder. Gut möglich, dass ihm trotzdem Ärger droht. Arus Manager Alex Carera kündigte bereits an, dass der Italiener rechtliche Schritte erwäge.