Reims (dpa) - Die Serie der deutschen Erfolge reißt bei der Tour de France nicht ab. Nach drei Etappensiegen von Marcel Kittel war diesmal André Greipel am Zug.
Als der deutsche Meister mit einem wahren Kraftakt die tollen deutschen Radsport-Tage bei der 101. Tour de France fortgesetzt hatte, fiel er im Ziel seinem Freund und Kollegen Marcel Sieberg in die Arme. Mit einem Sieg des Willens hatte auch der erleichterte deutsche Straßenradmeister endlich sein persönliches Erfolgserlebnis erzwungen. Genauso kraftvoll wie er am Donnerstag auf der langen Zielgeraden in Reims zum Gewinn der sechsten Etappe gerauscht war, ballte er hinterher die Faust und schrie seine ganze Freude heraus.
Dreimal hatte er bei den Massenankünften der Frankreich-Rundfahrt gegen den deutschen Rivalen Marcel Kittel nicht den Hauch einer Chance, diesmal schlug die Stunde des bulligen Rostockers.
«Das ist eine große Erleichterung. Es lag viel Druck auf unseren Schultern, nachdem es an den ersten Tagen aus verschieden Gründen nicht funktioniert hatte», sagte Greipel, der Mailand-San-Remo-Gewinner Alexander Kristoff (Norwegen) und Samuel Dumoulin (Frankreich) nach 194 Kilometern von Arras nach Reims auf die Plätze verwiesen hatte. Das Gelbe Trikot von Vincenzo Nibali (Italien) war auf der Sprintetappe nicht in Gefahr.
Kittel legte erstmals sein strahlendes Lächeln ab, nach einer kraftraubenden Etappe war er im Finish gar nicht mehr vertreten. «Heute ist einiges schief gelaufen. Es ist enttäuschend, dass wir so eine Chance weggegeben haben, obwohl wir den ganzen Tag hart gearbeitet haben. Wir haben zehn Kilometer vor dem Ziel die Kontrolle verloren und falsch reagiert», haderte der 26 Jahre alte Blondschopf vor seinem Mannschaftsbus mit einer Schüssel Obst in der Hand. Er kündigte «Diskussionen im Team» über das missratene Finale an.
Feiern durfte in der Champagner-Hauptstadt vor den Augen des französischen Staatspräsidenten Francois Hollande dagegen Greipel, der auch gen WM in Brasilien blickte. «Vier deutsche Etappensiege und Deutschland bei der WM im Finale. Das ist eine richtig tolle Woche», sagte Fußball-Fan Greipel, der eine schwere erste Woche hinter sich hatte. Als deutscher Meister angereist, ging an den ersten Tagen vieles schief.
«Endlich ist das Konzept aufgegangen. Zum Schluss waren wir zu dritt und konnten André in die richtige Position bringen», sagte sein Anfahrer Sieberg, der nach einem Sturz in der Mitte der Etappe blutende Schürfwunden erlitten hatte. Der Sieg sei nicht weniger Wert gewesen, nur weil Kittel drei Kilometer vor dem Ziel abreißen lassen hatte.
Für Greipel, der nach der spektakulären Kopfsteinpflaster-Etappe mit dem Tour-Aus von Vorjahresgewinner Chris Froome wieder für sportliche Schlagzeilen sorgte, war es der insgesamt sechste Tour-Etappensieg. Damit schloss er zu Didi Thurau auf dem fünften Platz der besten deutschen Radprofis auf. Auch die deutsche Bilanz ist bei der 101. Tour schon vor dem Ende der ersten Woche beeindruckend. Mit vier Siegen befinden sich die zehn deutschen Tour-Starter auf Rekordkurs. Die Bestmarke mit sechs Tagessiegen aus den Jahren 1977 und 2013 wackelt.
Unterdessen hat Vorjahressieger Froome nach seinem Ausstieg am Mittwoch bereits die Heimreise gen England angetreten. Dort will er seine Sturzverletzungen, speziell das lädierte Handgelenk genauer untersuchen lassen. «Ich bin am Boden zerstört - ich weiß noch nicht, wann ich zurück bin», twitterte der Vorjahressieger, der sich nach insgesamt drei Stürzen an zwei Tagen den Schmerzen beugen musste.
Die Konkurrenten waren unterdessen noch mit der Aufarbeitung der dramatischen fünften Etappe über die verschlammten Kopfsteinpflaster-Passagen beschäftigt. «Das Rennen war ein Chaos. Eine solche Strecke hat in der Tour nichts zu suchen», schimpfte Fabian Cancellara, der Paris-Roubaix auf ähnlichem Terrain immerhin dreimal gewonnen hatte und eigentlich als Liebhaber solcher speziellen Herausforderungen gelten sollte. Auch Mitfavorit Tejay van Garderen (USA) zählte die Veranstalter an: «Jetzt habt ihr Kerle euer Drama. Aber das Rennen hat eine Delle bekommen, weil der Titelverteidiger auf diese Weise raus ist.»