Cuneo (dpa) - Der 93. Giro d'Italia ist in italienischer Hand - und Alexander Winokurow sorgt für ungläubiges Staunen. Beim Mannschaftszeitfahren zwischen Savigliano und Cuneo überragte das Liquigas-Team.
Drei Italiener stehen nun im Gesamtklassement an der Spitze, und Kapitän Ivan Basso kann sich in komfortabler Position auf Platz zwei hinter Vicenzo Nibali in Ruhe auf die kommenden Etappen konzentrieren. Winokurow war der große Verlierer am ersten Zielort auf italienischem Boden und stinksauer über den Verlust des Rosa Trikots.
Verzweifelt hatte der Kasache seine Männer auf dem letzten Kilometer aufgefordert, Anschluss zu halten. Doch nur drei Kollegen waren in der Lage, dem mörderischen Tempo ihres Chefs zu folgen, der im Alter von 36 Jahren schon wieder so schnell ist wie mit 33, als er erwiesenermaßen unter die Blut-Doper gegangen war. Dem Astana-Zug ging der Dampf aus, Winokurow schimpfte. Er hatte ein besonderes Vorhaben nicht erfüllen können.
Vor seiner Abreise aus Monaco hatten sich seine beiden Zwillingen Nikolai und Alexander je ein Rosa Trikot von ihm gewünscht. Eines hatte er dank des Sturzpechs seiner Kontrahenten Bradley Wiggins und Cadel Evans in Middelburg/Niederlande erobern können. Das zweite verhinderten ein extra starkes Team Liquigas, Wind und Regen auf der Strecke und vielleicht ein zu starker «Wino».
«Es war ein Sturm. Aber Winokurow war der Motor, der uns durch den Sturm getrieben hat», beschrieb Astana-Profi Paolo Tiralongo das Geschehen. Teamchef Giuseppe Martinelli attestierte Winokurow vielsagend «eine Kondition jenseits normal Sterblicher». Winokurow hatte im Giro-Pressezentrum für Verblüffung gesorgt, als er teilweise fast eine Minute an der Spitze seines Teams fuhr und trotz Gegenwinds den Schnitt von 50 km/h hielt.
In den nächsten Tagen möchte er sich das Rosa Trikot zurückholen. Die mittelschweren Etappen am Samstag und Sonntag sind das geeignete Terrain dafür, einen Streit im eigenen Hause um das bislang einzige Exemplar des Kleidungsstückes zu vermeiden. Winokurow möchte nicht bis zur extrem harten letzten Woche im Hochgebirge warten. Denn dort sind Konkurrenten wie Basso und Carlos Sastre, Tour-de-France-Sieger 2008, stärker einzuschätzen.
«Diese Berge sind steiler als die bei der Tour», meinte Winokurow respektvoll. Die «Gazzetta dello Sport» warnte allerdings: «Winokurow bewegt sich wie ein Wolf. Er macht sich unsichtbar im Gelände, aber er findet stets den richtigen Tritt, um Gefahren aus dem Weg zu gehen. Seine physische Verfassung ist exzellent. Und in den Alpen erreicht dieser Wolf sein heimatliches Terrain. Vor seinen eiskalten Augen muss man Angst haben.»
Die Zeitung, vom Giro-Ausrichter RSC verlegt, unterschlägt bei diesem Ausflug ins Poetische allerdings, dass Winokurow auch andere Bedenken auslöst: Die Furcht, dass Leistungen bestaunt werden, die nicht nur auf hartem Training und cleverer Taktik basieren.