Pra Loup (dpa) - Fragen an den 29 Jahre alten Radprofi Simon Geschke, der mit einem imponierenden Solo nach Pra Loup für den ersten Etappensieg seines Giant-Alpecin-Teams bei der Tour de France sorgte und den «schönsten Tag» in seinem Radfahrerleben erlebte.
Wie war die Stimmung im Team vor dem heutigen Glückstag, als zuvor alle Versuche, einen Etappensieg «abzuschießen», fehlgeschlagen waren?
Simon Geschke: Die Atmosphäre war gut. Aber es war schon ein bisschen härter als früher, als wir in den vergangenen beiden Jahren immer schnell mit Marcel Kittel zum Erfolg gekommen waren. Ich sollte in der zweiten Tourwoche meine eigenen Chancen bekommen, aber sicher hat niemand im Team von mir einen Etappensieg erwartet. In erster Linie war ich als Helfer für John Degenkolb und Warren Barguil hier. Ich gewinne ja eigentlich nicht so viel, das war erst mein dritter Profisieg.
Die Abfahrt vom Col d'Allos gilt als eine der gefährlichsten der gesamten Tour. In ihrem Nacken fuhr Andrew Talansky und wollte Sie noch einholen - wie war das für Sie?
Geschke: Ja, die Abfahrt war absolut gefährlich, einige sind gestürzt. Ich habe versucht, trotzdem so schnell wie möglich runterzukommen. Aber da ich vorher am Gipfel am Limit war, musste ich mich sehr zusammenreißen und konzentrieren, damit ich ohne Schaden um alle Kurven komme. Auf den letzten 500 Metern dachte ich: Nur nicht umschauen, nicht umschauen.
Wie kam es zu Ihrer Attacke aus der Spitzengruppe 49 Kilometer vor dem Ziel?
Geschke: Es war schon hart, in diese Spitzengruppe zu kommen. Aber ich wollte nicht wieder Zehnter oder so werden. Bei so starken Leuten wie Richie Porte, Thibaut Pinot oder Peter Sagan war mir klar, dass ich alles auf eine Karte setzten musste. Da hab ich wie beim Pokern eben alles riskiert und ich bin weggekommen. Ich wusste, dass ich durch die Schmerzgrenze muss.
Kommt der Bart jetzt ab?
Geschke: Ist das eine wichtige Frage? Der Bart kommt ab, wenn ich mal die Tour gewinne.
Was bedeutet der 22. Juli 2015 für Sie?
Geschke: Das ist heute der schönste Tag in meinem Rennfahrerleben - davon habe ich immer geträumt, als ich früher die Tour im Fernsehen geschaut habe. Das ist noch ein bisschen surreal. Ich werde noch ein bisschen brauchen, bis ich das richtig kapiere.
Die ARD ist nach dreijähriger Pause wieder zurück in der Live-Berichterstattung von der Tour de France - begrüßen Sie das?
Geschke: Wir Radfahrer hatten ja in der Öffentlichkeit in Deutschland lange ein schlechtes Image. Es ist gut, dass die ARD wieder überträgt, und die Zuschauer dieses wunderbare Rennen verfolgen können. Der deutsche Radsport ist definitiv im Aufwind. Ich bin stolz darauf, dass ich auch bisschen dazu beitragen konnte.