Amsterdam (dpa) - Zwischen ihnen liegen tausende Kilometer, aber sie kreuzen trotzdem geräuschvoll die Klingen. Die Teamkollegen André Greipel und Mark Cavendish kämpfen in einem Fernduell um die begehrten Tickets für die am 3. Juli beginnende Tour de France.
Der ein wenig spröde Rostocker, mit bisher elf Saisonsiegen der erfolgreichste Profi der Welt, will in den Niederlanden und Italien beim Giro d'Italia punkten. Der oft aufbrausende und unbeherrschte Brite Cavendish, uneingeschränkter Star der vergangenen Tour mit sechs Tagessiegen, sucht seine Form bei der Kalifornien-Rundfahrt.
«Wir haben mit beiden gesprochen und sie aufgefordert, ihre persönlichen Animositäten zu begraben. Dann kann ich mir vorstellen, dass sie beide in unserem neunköpfigen Tourteam stehen und jeder seine Aufgabe erfüllt. Das ist schließlich Vertragsinhalt», sagte Erik Zabel. Als rechte Hand des HTC-Columbia-Teamchefs Bob Stapleton hat er zur Zeit alle Hände voll zu tun, als Friedensstifter zu glänzen.
In einem Zeitungsinterview in England war Cavendish über Greipel hergezogen, hatte ihm wahre Qualifikation abgesprochen und ihn als «kleinen Fahrer» in die Ecke gestellt. Der hünenhafte Greipel blieb ruhig und pflegte auch einen Tag vor dem Giro-Start in Amsterdam eher moderate Töne. «Diese Angriffe von ihm gegen mich kamen aus heiterem Himmel. Ich kommentiere sie nicht. Ich brauche mich mit meinen Leistungen nicht zu verstecken», sagte Greipel und bekannte, «dass er gerne mal gegen Cavendish» fahren, allerdings seinen Vertrag bei Columbia auch verlängern würde: «Es kommt auf die Angebote an.»
Bei der Tour sollen die ungleichen Streithähne an einem Strang ziehen. Bis dahin muss die Teamleitung aber noch viel Überzeugungsarbeit leisten und Cavendish nach einem verpatzten Frühjahr zu alter Stärke zurückspurten. «Dieses Duell ist für beide auch eine Motivation und sie sollten ihren Streit in Vorschub umwandeln - sie sollen ja keine Freundschaft schließen oder zusammen in Urlaub fahren», sagte Zabel, der «sich freuen würde, wenn beide bei Columbia bleiben».
Beim Giro 2008 sind sie schon mal zusammengefahren und die Kooperation klappte laut Zabel: Es gab Etappensiege für Greipel und Cavendish, die die lange Geschichte der teaminternen Reibereien zwischen «Alphatieren» fortschreiben. Zabel kann ein Lied davon singen: Auch mit Jan Ullrich war er sich bei Telekom und T-Mobile nicht immer grün. Gleiches galt für die Toursieger Bernhard Hinault und Greg LeMond oder im vergangenen Jahr für Alberto Contador und Lance Armstrong.
Greipel hat beim mit einem 8,4 Kilometer langen Prolog beginnenden 93. Giro vor allem die erste Woche im Fokus. So lange ist auch Zabel beim Team. «Ich will zuerst unbedingt wie 2008 einen Etappensieg. Dann sehen wir weiter», sagte Greipel, der mit einer guten Leistung beim Prolog auf den anschließenden Flachetappen durch die Niederlande auch das Rosa Trikot ins Visier nehmen darf. Das wäre sicher keine schlechte Empfehlung für den Saisonhöhepunkt im Juli.
Zabel träumt bei der Tour im Finale der Flachetappen jedenfalls schon vom «Sprint-Zug» Martin-Renshaw-Greipel-Cavendish. «Dieser Zug wäre schwer zu schlagen», meinte der sechsfache Gewinner des Grünen Trikots. Sowohl Greipel als auch Cavendish stehen im 15 Fahrer umfassenden Kreis, der dem Tour-Veranstalter ASO von Columbia bereits gemeldet wurde.