Andorra-Arcalis (dpa) - John Degenkolbs Teamkollege Tom Dumoulin jubelte schon vor dem Zielstrich. Auch ein heftiger Hagel- und Regensturm konnte dem Niederländer in Andorra-Arcalis die Laune nicht verderben. Der Kapitän der Giant-Alpecin-Mannschaft hatte die Königsetappe nach 184,5 Kilometern als strahlender Solist gewonnen.
«Ein Traum ist in Erfüllung gegangen! Ich bin so fertig, dass ich nicht mal richtig sprechen kann. Es war ein unfassbarer Tag», sagte Dumoulin und schnappte auf 2240 Metern nach Luft. «Ich habe gezeigt, dass ich nicht nur ein Zeitfahr-Spezialist bin.»
Das zweite Tour-Wochenende gehörte Christopher Froome. Mit einer Mischung aus bekannter Dominanz beim Klettern und neu entdeckten Abfahrer-Qualitäten setzte der Vorjahressieger den Konkurrenten zu. Eine Vorentscheidung fiel bei der Bergankunft in Andorra-Arcalis, wo Jan Ullrich 1997 den einzigen Toursieg eines deutschen Radprofis eingeleitet hatte, aber noch nicht.
Der Brite verlässt die Pyrenäen im Gelben Trikot mit weiter 23 Sekunden Vorsprung auf seinen ärgsten Widersacher Nairo Quintana. Im Gesamtklassement liegt der 31-Jährige weiter 16 Sekunden vor dem erstaunlich starken Newcomer Adam Yates aus Großbritannien.
Der vor dem Start der 103. Tour de France als Mitfavorit gehandelte Spanier Alberto Contador dagegen gab entkräftet auf. «Heute Morgen hatte ich Fieber und seit meinem Sturz am ersten Tag fühlte ich mich nicht gut. Das hat zu meiner Entscheidung geführt, das Rennen heute zu beenden. Es müssen jetzt Untersuchungen durchgeführt werden, damit wir genau sehen, was ich habe», sagte Contador, der nach 84 Kilometern vom Rad stieg.
Schon an den Vortagen war er hoffnungslos zurückgefallen. Möglicherweise wird der Spanier in der kommenden Saison bei Trek-Segafredo Teamkollege von Degenkolb, der seinen Abschied beim einzigen deutschen WorldTour-Team bereits angekündigt hat.
Im Gegensatz zum Samstag konnte Froome auf der letzten Pyrenäen-Etappe kein As aus dem Ärmel schütteln. Wahrscheinlich bremste den 31-Jährigen der plötzliche Wetterumschwung im Finale. Immerhin konnte er vor dem ersten Ruhetag alle Konkurrenten in Schach halten.
«Das war ein Tag der Extreme. Erst haben wir uns bei der Hitze mit Wasser und Eis abgekühlt. Dann kam der eiskalte Regen von oben», erklärte Froome nach der Tortur. «Meine Mannschaft war von Anfang bis zum Ende so stark. Ich musste auch für sie das Gelbe Trikot verteidigen.»
Am Samstag hatte der Brite Quintana und Co. mit einer neuen Abfahrttechnik überrascht und im Ziel in Bagnères-de-Luchon 23 Sekunden herausgeholt. Niemand hatte dem eigentlich als eher mittelmäßigen Abfahrer bekannten Sky-Kapitän einen solchen Coup zugetraut. «Wir hatten das im Training geübt. Aber, dass es geklappt hat und ich den Tagessieg und das Trikot holte - das hat mich auch überrascht», hatte Froome im Ziel erklärt.
Zuvor war er kurz vor der Abfahrt auf dem Peyresourde mit einem ungestümen Fan aneinandergeraten. Der Zuschauer lief mit einer Fahne in der Hand neben Froome - und ihm fast vors Rad. Der Brite hielt sich den aufdringlichen Fan mit dem Arm vom Leib und traf ihn am Kopf. Der Rowdy war offensichtlich ein Quintana-Fan. Er trug das Trikot der kolumbianischen Fußball-Nationalmannschaft. Einen Tag später kam ein Zuschauer nach einer Kollision mit dem Neuseeländer George Bennett zu Fall.
Die deutschen Radprofis spielten auf der Tagestour über fünf schwere Anstiege bei insgesamt 4960 Höhenmetern keine Rolle. Auch der am Vortag starke deutsche Ex-Meister Emanuel Buchmann konnte im Konzert der Großen nicht mitspielen und verlor bei der gnadenlosen Kletterei im entscheidenden Moment etwas an Boden. Immerhin verbesserte er sich im Gesamtklassement um einen Platz auf Rang 22.
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