Berlin (dpa) - Auf den lebenslang gesperrten Lance Armstrong rollt eine Prozesslawine zu, dem nahezu das gesamte Vermögen des tief gefallenen Radsport-Superstars zum Opfer fallen könnte.
Ein dreiköpfiges Schiedsgericht in Dallas hat den 43-Jährigen gerade zur Rückzahlung von Prämien der Versicherung SCA in Höhe von zehn Millionen Dollar (8,824 Millionen Euro) verurteilt. Im Mega-Prozess der US-Regierung gegen ihn geht es um zehn Mal so viel. 2015 dürfte ein ganz bitteres Jahr für den einst unantastbaren Dominator des Radsports werden.
Zum Sozialfall wird der Texaner wohl aber auch nicht im ungünstigsten Fall - die Agentur Net Worth errechnete kürzlich ein Armstrong-Vermögen von 125 Millionen Dollar. Davon waren allerdings bereits nach ersten verlorenen Schadensersatzprozessen im Anschluss an seine öffentliche Dopingbeichte 2013 einige Millionen abgeschmolzen. Die britische «Sunday Times» erstritt eine Million Pfund (1,2 Millionen Euro) zurück. Armstrong hatte 2006 erfolgreich auf Rufschädigung wegen «unhaltbarer Doping-Unterstellungen» geklagt. Nach seiner Beichte sieben Jahre später war er als Lügner enttarnt.
Die Richter in Dallas hatten sich in einem Urteil vom 4. Februar mit 2:1 Richterstimmen für SCA ausgesprochen, teilten die Anwälte des Versicherungs-Unternehmens mit. Armstrong hatte 2006 7,5 Millionen Dollar von SCA für seine sieben Siege bei der Tour de France zwischen 1999 und 2005 erhalten. 2013 hatte er nach langem Leugnen umfassendes Doping gestanden, alle Gelben Trikots verloren und wurde lebenslang für jeglichen offiziellen Wettkampfsport gesperrt.
Im April und Oktober 2014 hatten das Berufungsgericht und der Oberste Gerichtshof von Texas die Armstrong-Klage gegen die Wiedereröffnung eines Verfahrens zur möglichen Rückerstattung der Sponsoreneinnahmen abgewiesen. Der einstige Seriensieger hatte juristisch versucht, SCA-Promotions daran zu hindern, Bonuszahlungen in Höhe von 12 Millionen Dollar zurückzufordern. Armstrong verwies darauf, dass er sich bereits mit SCA außergerichtlich geeinigt habe und diese Übereinkunft bindend sei. Dieser Einschätzung folgte das Gericht allerdings nicht.
Im noch nicht terminierten Prozess der US-Regierung contra Armstrong könnte die dem Ex-Star ausgestellte Rechnung noch viel deftiger sein. Es geht um Millionen von Steuergeldern. In einer Klage hatte sich sein ehemaliger Teamkollege Floyd Landis 2010 auf den sogenannten False Claims Act (Gesetz gegen Betrug zulasten der öffentlichen Hand) berufen. Sein Vorwurf: Armstrong und die Teamleitung seiner ehemaligen US-Postal-Mannschaft sollen die Regierung betrogen haben.
Unter Umgehung der Anti-Doping-Richtlinien hätte Armstrong, der im US-Postal-Trikot sechs der sieben Toursiege herausgefahren hatte, zu Unrecht 32 Millionen Dollar Steuergelder als Sponsoren-Leistung erhalten. Das US-Justizministerium schloss sich später der Klage an, was Armstrongs Chancen nicht gerade erhöht haben dürfte. Die Armstrong-Anwälte behaupten, US-Postal hätte über die ausgefeilten Doping-Praktiken Bescheid gewusst und mit dem alle Konkurrenten beherrschenden Armstrong lukrativ PR betrieben.
Sollten die auf Schadensersatz klagenden Untersuchungsbehörden recht bekommen, könnten sie das Dreifache des gesponserten Geldes zurückverlangen. Landis, 2006 selbst des Doping überführt, später als Toursieger abgesetzt und erst spät dopinggeständig, könnte in diesem Fall bis zu 30 Prozent der Summe als «Whistleblower» winken.