Brügge (dpa) - Die Qualität seiner Siege steigt. Was John Degenkolb jetzt noch fehlt, ist ein Triumph bei einem der Radsport-Monumente. Womöglich schon am Sonntag, wenn er bei der 98. Auflage der Flandern-Rundfahrt zu den Mitfavoriten zählt.
«Ich muss mich nicht verstecken. Meine Saison war bis jetzt schon sehr erfolgreich. Ich habe mich weiterentwickelt», sagt der Thüringer der Nachrichtenagentur dpa. Zehn Jahre nach Steffen Wesemann und 50 Jahre nach Rudi Altig darf er sich Hoffnungen auf den dritten deutschen Sieg bei der «Ronde» machen.
Degenkolb hat sich bereits in jungen Jahren zu einem Mann für die harten Eintagesrennen entwickelt. Im vergangenen Jahr gewann der 25-Jährige die World-Tour-Rennen Hamburg Cyclassics und Paris-Tours, am vergangenen Sonntag ließ er dann einen souveränen Erfolg beim belgischen Halbklassiker Gent-Wevelgem folgen. Trotz seiner starken Leistungen - Degenkolb hat bereits fünf Saisonsiege eingefahren - zählt er sich nicht zu den Topfavoriten. «Ich bin noch ein Stück weit zu jung, um zu sagen: Ich fahre hier auf Sieg. Mein Ziel ist eine Top-Ten-Platzierung wie im Vorjahr. Es muss zu 100 Prozent alles zusammenkommen.»
Die altbekannten Namen wie Fabian Cancellara, Peter Sagan oder der belgische Volksheld Tom Boonen sind für Degenkolb die heißen Anwärter auf den Sieg. Cancellara hatte das Rennen im vergangenen Jahr nach einer starken Vorstellung zum zweiten Mal gewonnen und scheint auch diesmal bestens gerüstet. Beim verregneten Klassiker Mailand-San Remo wurde er starker Zweiter.
Sagan stellte unterdessen mit seinem Sieg beim E3-Preis in Harelbeke seine gute Form unter Beweis. Und auch Boonen darf sich nach starken Auftritten in diesem Jahr Hoffnungen auf den vierten Triumph bei seinem Lieblingsrennen machen, womit er zum Rekordsieger aufsteigen würde. 2013 hatte dies noch ein Sturz verhindert.
Wer nach der 259,1 Kilometer langen Fahrt über die giftigen Anstiege («Hellinge») am Ende in Oudenaarde ganz vorne sein will, muss schon ein perfektes Rennen hinlegen. Deshalb überlässt Degenkolb nichts dem Zufall. Am Donnerstag inspizierte er noch einmal die letzten 120 Kilometer des Rennens, wo es traditionell zum Ausscheidungsfahren über Koppenberg, Paterberg oder Oude-Kwaremont kommt. Bei Mailand-San Remo hatte Degenkolb ein Defekt in der entscheidenden Rennphase um alle Siegchancen gebracht.
Als bester Deutscher beim ersten Höhepunkt der Radsport-Saison 2014 hatte Gerald Ciolek in Italien den neunten Platz belegt, nachdem er ein Jahr zuvor das denkwürdige Rennen in San Remo sogar gewonnen hatte. Der Pulheimer vom Team MTN-Qhubeka darf sich daher auch in Flandern Hoffnungen auf eine vordere Platzierung machen.
Für André Greipel ist die Klassikersaison im Frühjahr dagegen schon gelaufen, nachdem er bei Gent-Wevelgem gestürzt war und eine Schultereckgelenkssprengung erlitten hatte. Der gebürtige Rostocker hätte bei der schweren Flandern-Rundfahrt als reiner Sprinter aber kaum Siegchancen gehabt.
Denn das letzte Drittel des Rennens hat es in sich. Dort wird sich auch zeigen, wie gut die Form von Olympiasieger Bradley Wiggins ist. Der Tour-de-France-Sieger von 2012 geht erstmals nach neun Jahren in Flandern wieder an den Start.