Berlin (dpa) - Nach dem aufschlussreichen 227-Seiten-Bericht der Radsport-Untersuchungs-Kommission CIRC will die Anti-Doping-Agentur Dänemarks am 11. März nachlegen. «Sie wird ihren Report vorlegen und bat mich, dabei zu sein», berichtete der frühere Doping-Kronzeuge Jörg Jaksche.
Der jetzt in Innsbruck Sportmanagement studierende Ex-Profi bezweifelt allerdings, dass sein früherer Teamchef Bjarne Riis, der weiter im Team des zweimaligen Tour-Siegers Alberto Contador die Fäden zieht, mit Sanktionen belegt werden könnte. «Das dürfte wohl alles verjährt sein - aber wir werden sehen», sagte Jaksche der Deutschen Presse-Agentur.
Die intakten Seilschaften, angeführt von den ehemaligen Dopern Alexander Winokurow (jetzt Teamchef bei Astana) und Riis (Tinkoff-Saxo), sind laut Jaksche die größten noch vorhandenen Hindernisse im aktuellen Anti-Doping-Kampf. «Warum sollten die beiden als Teamchefs von alten Schemata abweichen?», fragte der Ex-Profi, der für wirksamere Prävention auch die Verantwortlichen in den Teams empfindlich zur Kasse bitten will. «Strafen von einer halben Million Euro für die Mannschaft von Dopern hätten sicher eine andere Wirkung, als hauptsächlich auf die Sportler zu zielen», meinte Jaksche, der die CIRC-Untersuchungsergebnisse von Montag begrüßte.
Endlich sei von «offizieller Seite» ein «Sittengemälde» des Radsports gezeichnet worden. Er fühlt sich jetzt nicht mehr als nichtverstandener Mahner einsam in der Ecke stehend. «Als ich diese Praktiken geschildert hatte, hieß es oft: Was kann man denn diesem enttäuschten Radprofi glauben», berichtete Jaksche, der nach dem erneuten Vorstoß des Radsport-Weltverbandes UCI gegen Winokurows Astana-Team wegen der Lizenz-Erteilung Hoffnung schöpft. Vielleicht könnte es dem stark umstrittenen Team aus Kasachstan, im Vorjahr fünfmal doping-auffällig, doch noch an den Kragen gehen.
Ein nachträglicher Lizenz-Entzug wäre laut Jaksche «wahrscheinlich gerecht». Der würde den aktuellen Tour-de-France-Sieger Vincenzo Nibali hart treffen. Der Italiener rechnet derweil bei einem möglichen Verlust der WorldTour-Lizenz mit einem besonderen Entgegenkommen der Tour-Veranstalter im Juli. Er hoffe dann auf eine Wildcard, sagte er beim italienischen Rennen Strade Bianchi. «Die Tour-Chefs wissen, dass wir ernst zu nehmen sind. Ich mache mir keine Sorgen», sagte Nibali. Er wird von Giuseppe Martinelli betreut, einst Teamchef des gedopten und 2004 gestorbenen Tour-Siegers Marco Pantani aus Italien.
Der CIRC-Bericht befasste sich nicht nur mit Betrügereien vergangener Tage, sondern auch mit der Gegenwart - und hielt alarmierende Erkenntnisse bereit. Die Befragung von 174 Zeugen - unter ihnen laut der Sportzeitung «L'Équipe» Lance Armstrong, Winokurow und Tour-Sieger Chris Froome - habe auch ergeben, dass gesperrte Dopingärzte wie Eufemiano Fuentes oder Michele Ferrari weiter ihr Unwesen trieben. Doping bleibe im Radsport ein «endemisches Problem auf niedrigerem Niveau», sagte UCI-Präsident Brian Cookson, der der dreiköpfigen Kommission vor zehn Monaten den Arbeitsauftrag erteilte.
Für den heutigen Radsport sieht die «Cycling Independent Reform Commission» CIRC weiter Probleme. Viele Fahrer seien der Ansicht, hieß es in dem Bericht, dass Doping auch heute noch «weit verbreitet ist». Ein Profi glaubte gar, dass 90 Prozent des Pelotons noch dopen würden. Von dieser hohen Zahl geht der Radsport-Kritiker Jaksche nicht aus: «Die Zeiten von Doping im großen flächendeckenden Stil sind vorbei. Die Zahl 90 Prozent ist sicher viel zu hoch gegriffen.»
Eine Grauzone aus zum Teil erlaubten starken Schmerzmitteln, dazu verschreibungspflichtigen Anti-Depressiva und Kortison-Präparaten, müsse ausgeleuchtet werden.
UCI-Homepage
UCI zur Cycling Independent Reform Commission (CIRC)