Mende (dpa) - Romain Bardet fasste sich verzweifelt an den Kopf, Tibault Pinot schaute verbittert drein: Die beiden Franzosen haben sich auf dem Flugfeld von Mende im Ziel der 14. Etappe der 102. Tour de France fast amateurhaft vom Briten Stephen Cummings vorführen und den Sieg wegschnappen lassen.
Da halfen nicht einmal die tröstenden Worte des Staatschefs Francois Hollande. «Ich hatte bei dieser Konstellation auf einen französischen Sieg gehofft, aber Platz zwei und drei sind doch auch aller Ehren wert», sagte der Politiker, der den am Vortag so böse gestürzten Jean-Christophe Peraud aufmunterte: «Die Herzen der Franzosen gehören Ihnen.»
Am Samstag jubelten wieder einmal die Briten: Cummings feierte nach 178,5 Kilometern den ersten Etappensieg für die mit einer Wildcard ins Rennen gekommene südafrikanische Formation MTN-Qhubeka. «Die letzten Meter vor dem Ziel wurden wieder flach - das ist mein Terrain und ich konnte Bardet und Pinot noch überraschen, weil die sich natürlich nicht einig waren», erklärte der 34 Jahre alte Brite seinen Erfolg am internationalen Nelson Mandela Tag. Die beiden Franzosen gehören konkurrierenden Teams an.
«Ein Sieg für eine afrikanische Mannschaft und ein Sieg für einen Briten - das freut mich sehr», sagte der weiter äußerst souveräne Spitzenreiter Chris Froome. Er wuchs in Kenia auf und hat große Sympathie für die sich langsam etablierenden Radprofis aus Afrika. Nach dem Rennen berichtete der Brite von einem unappetitlichen Zwischenfall. Ein Zuschauer habe ihn nach dem Ruf «Doper!» mit einem Becher Urin beworfen. «Das ist auf so vielen Ebenen nicht zu akzeptieren», klagte Froome.
Cummings war der Stärkste und Cleverste einer zuletzt 19 Fahrer umfassenden Spitzengruppe. Auf den letzten 950 Metern überraschte der MTN-Profi die bis dahin führenden Franzosen, die ihren bislang einzigen Erfolg dieses Jahr durch Alexis Vuillermoz gefeiert hatten.
André Greipel, der im Kampf um das Grüne Trikot weiter hinter Peter Sagan zurückfiel, passierte das Ziel 19:24 Minuten nach Cummings mit einer blutenden Wunde am Knie. Die Verletzung - er hatte sich offensichtlich an einem Absperrgitter verletzt - muss wahrscheinlich genäht werden, hieß es am Teambus der belgischen Lotto-Soudal-Mannschaft. Für seine Weiterfahrt besteht wohl keine Gefahr.
Der Träger des Gelben Trikots verlebte bis auf die finalen vier Kilometer und den Urin-Vorfall einen relativ ruhigen Tag. Auch im Finish blieb der 30 Jahre alte Froome bei etwas frischen Temperaturen wieder unangefochten und baute seinen Vorsprung im Gesamtklassement sogar leicht aus. Neuer Zweitplatzierter ist der Kolumbianer Nairo Quintana mit 3:10 Rückstand. Auf Rang drei zurückgefallen ist der US-Profi Tejay van Garderen (3:32 zurück). Vorjahressieger Vincenzo Nibali und der zweifache Toursieger Alberto Contador verloren weiteren Boden auf Froome.
Der Sky-Kapitän scheint zurzeit überhaupt mehr damit beschäftigt zu sein, sich abseits vom Sportlichen gegen Vorwürfe aus allen möglichen Richtungen zu wehren. Seine Überlegenheit provoziert Misstrauen, und er wird nicht müde, zu versichern: «Ich bin sauber.» Es gibt derzeit keinerlei belastbaren Indizien, die das Gegenteil beweisen könnten. «Ich werde das Rennen nicht wegen einiger Leute aufgeben, die Beleidigungen rufen.»
Die deutsche Giant-Alpecin-Mannschaft musste auf dem Weg nach Mende einen weiteren Rückschlag wegstecken. Ramon Sinkeldam, der das Berliner ProRace im Mai gewonnen hatte, musste mit Magenproblemen aufgeben. Damit hat der unglückliche John Degenkolb auf der Jagd nach dem ersten Etappensieg seiner Karriere wieder einen Helfer weniger. In der ersten Woche war bereits der Zeitfahr-Spezialist Tom Dumoulin ausgeschieden.
Weil auch Sagan in der Spitzengruppe fuhr, sicherte er sich ohne Mühe den Zwischensprint in Millau und konnte sich in der Punktwertung weiter von Greipel absetzen. Der Slowake steuert weiter unbeirrt seinen vierten Sieg in der Punktwertung hintereinander an.
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