Frankfurt (rad-net) - Wenige Tage nach den Deutschen Bahn-Meisterschaften und der Mountainbike-WM sowie knapp zwei Wochen vor Beginn der Straßen-WM in Spanien zieht BDR-Sportdirektor Patrick Moster eine Zwischenbilanz.
Im Interview spricht der 47-Jährige aus Landau über die Leistungsdichte im deutschen Radsport, hoffnungsvolle Talente und den Weltrekordversuch von Jens Voigt.
Herr Moster, welche Erkenntnisse konnten Sie bei den Deutschen Bahn-Meisterschaften gewinnen?
Patrick Moster: Die Titelkämpfe in Cottbus waren für den BDR eine Standortbestimmung im Hinblick auf die ersten Qualifikationswettkämpfe für die Olympischen Spiele in zwei Jahren in Rio. Ich kann sagen: Wir sind im grünen Bereich. Wir haben Leistungen auf hohem Niveau gesehen und uns auch im Ausdauerbereich einen weiteren Schritt nach vorn bewegt. Das hat uns gezeigt, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Wie dies im internationalen Vergleich zu bewerten ist, wird die Europameisterschaft Ende Oktober in Guadeloupe zeigen.
In der Einer- und Mannschaftsverfolgung setzten sich die Sportler des rad-net ROSE-Teams durch. Ist im zweiten Jahr des Bestehens dieses Teams der Knoten geplatzt, und welche Erwartungen werden damit für künftige internationale Events wie Weltcup und Olympia-Qualifikation geweckt?
Moster: Alles andere als die Titelgewinne in der Einer-und Mannschaftsverfolgung wäre eine Enttäuschung gewesen. Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren sehr viel in dieses Team investiert und das zahlt sich nun aus. Aber wir können uns keinesfalls zurücklehnen sondern müssen weiter sehr konzentriert arbeiten und dürfen unser Ziel nicht aus den Augen verlieren, um die Vorgaben zu erfüllen. Es ist noch ein weiter Weg.
In den Sprintdisziplinen hat der BDR ein Luxusproblem. Hat sich das bei der DM in Cottbus bestätigt? Welche neuen Talente wachsen da heran?
Moster: Mit Max Niederlag und Stefan Bötticher haben wir zwei ganz junge Sportler, die - obwohl eigentlich noch der U23-Klasse zugehörig - auf einem absoluten Top-Niveau fahren. Ich denke da insbesondere an Bötticher, der im vergangenen Jahr schon Weltmeister war und trotz einer langen Verletzungspause dieses Jahr Vize-Weltmeister im Sprint werden konnte und uns ganz entspannt in die Zukunft blicken lässt, was auch wiederum die Konkurrenz im eigenen Land fördert. Überrascht hat in der Nachwuchsklasse in Cottbus auch Marc Jurczyk, der eigentlich aus dem Ausdauerbereich kommt, bei der DM aber in den Kurzzeit-Disziplinen sehr stark war. Nun muss man sehen, in welche Richtung er sich entwickelt und in welchem Bereich er künftig anzusiedeln ist.
Im Kurzzeitbereich zeigten die frisch gekürten Weltmeisterinnen im Teamsprint der Juniorinnen sehr gute Leistungen. Gibt es auch im Ausdauerbereich einige Nachwuchsfahrerinnen und -fahrer, die international den Durchbruch schaffen könnten?
Moster: Leider waren nicht alle Fahrer, die bei der Junioren-WM nominiert waren, in Cottbus am Start. Das stimmt uns als Verband natürlich nachdenklich. Ich baue aber weiterhin auf unsere zentralen Stützpunkte in Brandenburg, Baden-Württemberg, Thüringen, Berlin und NRW, und hoffe, dass sich hier in den nächsten Jahren der ein oder andere Nachwuchsfahrer in den Ausdauerbereich integrieren lässt.
Bei der MTB-WM in Norwegen gab es im Vergleich zu 2013 nur eine Medaille im Cross Country durch Luca Schwarzbauer bei den Junioren. Hinzu kam vier Mal Edelmetall durch die Trial-Fahrer. Wie fällt da ihre Bilanz aus?
Moster: Wir konnten in Hafjell das historische Ergebnis von 2013 nicht wiederholen, aber unsere Zugehörigkeit zur erweiterten Weltspitze bestätigen. Wir haben in allen Klassen Anschlussleistungen gezeigt und es unter die Top Ten oder gar unter die besten Acht geschafft. Besonders stolz sind wir auf das Abschneiden der Männer.
Platz vier und fünf durch Fumic und Milatz sind ein klares Indiz dafür, dass der Weg, den wir in Richtung Olympia 2016 eingeschlagen haben, der richtige ist. Nicht unerwähnt bleiben muss die Tatsache, dass sich die vielen gesundheitlichen Ausfälle in dieser Saison auch bei der WM fortgesetzt haben. Adelheid Morath musste wegen Krankheit schon vorzeitig die Heimreise antreten, Ben Zwiehoff, der bei der Europameisterschaft einen starken Eindruck hinterlassen hatte, konnte gar nicht erst anreisen. Und auch Sofia Wiedenroth, letztes Jahr WM-Zweite bei den Juniorinnen, musste passen und konnte nicht die Leistung abrufen, die man normalerweise von ihr gewohnt ist.
Bei der Straßen-WM Ende September in Spanien ist Tony Martin der große Favorit im Zeitfahren. Sind die deutschen Männer auch im Straßenrennen nicht chancenlos? Wie sieht es bei den Frauen aus? Konnte die Lücke, die das Karriereende von Judith Arndt und Ina-Yoko Teutenberg gerissen hat, inzwischen geschlossen werden?
Moster: Nach dem Rücktritt von Arndt und Teutenberg hat man dem deutschen Radsport prophezeit, dass er schweren Zeiten entgegen geht. Aber so ist es nicht gekommen. Athletinnen wie Lisa Brennauer und Claudia Lichtenberg haben diese Lücke exzellent geschlossen. Wir sind in diesem Jahr bei den Weltmeisterschaften mit der vollen Starterzahl von sieben Fahrerinnen dabei. Hinzu kommt, dass Mieke Kröger als amtierende Europameisterin im Zeitfahren ein persönliches Startrecht hat und damit die Chance auf eine Top-Platzierung. Ich finde, das sind gute Perspektiven.
Im Nachwuchsbereich war der vierte Platz von Joshua Stritzinger im Zeitfahren der Junioren die beste Platzierung. Gibt es in Ponferrada die Chance auf eine Medaille?
Moster: Lennard Kämna ist ein Rennfahrer, der sowohl auf der Straße als auch im Zeitfahren auf glänzende Resultate in dieser Saison blicken kann. Ich hoffe, dass es unseren Trainern gelingt, den Spagat zwischen Zeitfahren und Straßenrennen zu vollziehen und Kämna seine Leistungsstärke unter Beweis stellen kann.
Wagen Sie eine WM-Prognose für die Titelkämpfe in Ponferrada?
Moster: Ähnlich wie zur Mountainbike-Weltmeisterschaft gilt es, die Zugehörigkeit zur Weltspitze nachzuweisen. Das muss sich nicht in einer konkreten Medaillenzahl niederschlagen.
Zum Schluss noch ein anderes Thema: Jens Voigt plant in der kommenden Woche, den Stundenweltrekord zu brechen. Glauben Sie, er schafft das?
Moster: Wer Voigt kennt und weiß, wie er seine Radrennen bestritten hat, der weiß, dass er auch mit dann 43 Jahren durchaus in der Lage ist, diesen Weltrekord zu knacken. Ich würde mir wünschen, dass Voigt im Sinne des deutschen Radsports ein Denkmal setzen und sich in die Liste der prominenten Weltrekordler einreihen kann.
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