Mendrisio (dpa) - Die Zeitfahrer sind die großen Hoffnungsträger des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) bei den am 23. September beginnenden Straßen-Weltmeisterschaften in Mendrisio in der Schweiz.
«Das Zeitfahren steht bei mir im Mittelpunkt, auch wenn es wegen der Überlegenheit Fabian Cancellaras vor eigenem Publikum wohl die traurige Wahrheit gibt, dass es für den Rest der Fahrer nur um Silber und Bronze geht», sagte Tony Martin, der bei der Tour de France im Juli die große positive Überraschung war, der Deutschen Presse- Agentur dpa.
Neben Martin kämpft über die 49,6 Kilometer-Strecke noch sein Columbia-Team-Kollege und Titelverteidiger Bert Grabsch mit berechtigten Chancen um eine Medaille. «Ich habe die Vuelta extra früher verlassen, um mehr Erholungszeit zu haben und mich speziell vorzubereiten. Ich bin optimistisch und nicht so kaputt wie befürchtet», gab Grabsch zu Protokoll.
Im Elite-Straßenrennen über 262,2 Kilometer zum WM-Finale droht den neun deutschen Startern die Zuschauer-Rolle. «Ich kenne die Strecke vom Giro 2008. Sie ist sehr schwer, und ich sehe offen gesagt in unserem Team keinen, der ganz vorne mitfahren kann. Für Greipel ist sie, glaube ich, zu heftig», sagte Martin, der seine eigenen Chancen und Ambitionen im Straßenrennen diplomatisch so umschrieb: «Ich lasse mich überraschen».
Favoriten sind Vize-Weltmeister Damiano Cunego (Italien) und der frisch gekürte Vuelta-Gewinner Alejandro Valverde (Spanien). Die mit Abstand am stärksten eingeschätzten Teams aus Italien und Spanien haben aber über den Parcours mit zwei happigen Steigungen mit Titelverteidiger Alessandro Ballan und Ivan Basso (beide Italien) sowie dem dreifachen Weltmeister Oscar Freire und Olympiasieger Samuel Sanchez (Spanien) noch mehr Trümpfe in der Hand. Italien stellte drei Jahre hintereinander den Champion.
Doch auch die Gastgeber sollten nicht unterschätzt werden - für sie hat Cancellara schon mal festgehalten: «Das Straßenrennen interessiert mich besonders.» Bei den Olympischen Spielen in Peking stemmte der 29 Jahre alte Berner auch die Doppelbelastung, holte im Zeitfahren Gold und im Straßenrennen immerhin noch Bronze.
Der BDR hat die Hürde im vorigen Jahr mit je einmal WM-Gold und - Silber sowie dreimal Bronze sehr hoch gelegt. «Bei einer solchen Vorgabe ist es schwer, die Leistungen zu wiederholen. Aber drei Medaillen für uns sind sicher realistisch», sagte BDR-Vize und WM- Selektionär Udo Sprenger, der dabei auch die U23-Fahrer und die Straßenfahrerinnen um Judith Arndt auf der Rechnung hat.
Die dunkle Vergangenheit holt auch die WM im schönen Tessin ein. Valverde gilt als so etwas wie eine tickende Zeitbombe. Sowohl sein Gold-Trikot der Vuelta als auch eine mögliche Medaille in Mendrisio hängen von einem bis zum Jahresende erwarteten CAS-Urteil ab. Der Internationale Gerichtshof entscheidet, ob die vom italienischen Olympischen Komitee CONI vorerst nur für Italien verhängte Zweijahressperre auch weltweit gelten soll. Valverde will seinerseits vor höchster Instanz geklärt wissen, ob das CONI in seinem Fall überhaupt zuständig sein kann.
Eine bei der Tour 2008 auf italienischem Boden genommene Blutprobe Valverdes konnte einem Blut-Depot beim mutmaßlichen Dopingarzt Eufemiano Fuentes zugeordnet werden. Ähnlich war Jan Ullrich von der Staatsanwaltschaft Bonn entlarvt worden.