Frankfurt (rad-net) - Genau heute vor 130 Jahren hat sich August Lehr zum ersten deutschen Radsport-Weltmeister gekürt. Auf der Radrennbahn in Antwerpen (Belgien) gewann er am 12. August 1894 das Fliegerrennen (heute Sprint). Damit war er der erste deutsche Radrennfahrer, der der internationalen Konkurrenz die Stirn bieten konnte.
Lehr wurde 1871 in eine Kaufmannsfamilie geboren. Seine Radsport-Karriere begann er beim Frankfurter Bicycle-Club auf dem Hochrad und gewann 1889 die Englischen Hochrad-Meisterschaften, die inoffizielle Weltmeisterschaft über eine englische Meile. 1893 stieg er auf das Niederrad um und triumphierte im Jahr darauf bei den Weltmeisterschaften über eine Meile.
Spätestens mit seinem WM-Titel wurde er überall in Deutschland bekannt. Bei seiner Rückkehr von der WM war ganz Frankfurt auf den Beinen. Tausende von Menschen säumten die Straßen, wollten einen Blick auf August Lehr erhaschen und jubelten einem der ersten deutschen Sportstars zu. Während seiner elf Jahre andauernden Radsportkarriere feierte er insgesamt 276 Siege - darunter einen WM-Titel, vier Europameisterschaften und 14 Deutsche Meisterschaften. Doch er war nicht nur aufgrund seiner Erfolge beliebt, sondern auch wegen seines stets bescheidenden und sympathischen Auftretens. Er prägte die frühe Radsportgeschichte in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main mit, aber auch die seines späteren Wohnortes Berlin sowie zahlreicher weiterer Radsportstätten Deutschlands, wo er zu Rennen antrat und die Zuschauer genauso begeisterte und zum Vorbild vieler erfolgreicher Rennfahrer wurde.
Deshalb war er auch nach seiner Karriere überall ein noch gern gesehener Gast. Als 1909 in Berlin das erste Sechstagerennen auf deutschem Boden ausgetragen wurde, gab der Altmeister, wie er liebevoll genannt wurde, den Startschuss.
August Lehr war aber mehr als nur ein beliebter Radsportler, er war auch ein Pionier des Radfahrens und des Fahrrads. Er gründete seine eigene Fahrradfabrik und war lange in der Fahrrad- und Automobilindustrie tätig, ehe er 1921 im Alter von nur 50 Jahren verstarb.
Passend zum Jubiläum erscheint heute erstmals auch eine ausführliche Biografie über den inzwischen fast vergessenen August Lehr - geschrieben von rad-net-Redakteurin Mareike Engelbrecht und maßgeblich unterstützt vom netzwerk fahrrad/geschichte. Auf 148 Seiten und mit 86 Abbildungen reich bebildert wird das Leben des ersten deutschen Radsport-Helden, der den Radsport in Deutschland so beliebt machte, skizziert. Seine Biografie ist nicht nur eine reine Personengeschichte. Es gibt auch interessante und aufschlussreiche Einblicke in die Sport-, Kultur- sowie Sozialgeschichte und nicht zuletzt auch in die Industriegeschichte und ein kleines bisschen sogar in die Automobilgeschichte. Erhältlich ist die Biografie überall wo es Bücher gibt oder direkt beim netzwerk fahrrad/geschichte.
rad-net berichtet in seiner Serie «Genau heute vor ... Jahren» in unregelmäßigen Abständen - zu bestimmten Jubiläen oder Ereignissen - von historischen Radsportgeschehnissen. Sei es über Helden und tragische Figuren des Radsports, besondere Rennen oder andere Kuriositäten. Sie haben Vorschläge oder wollen etwas genauer wissen? Schreiben Sie doch einfach eine Email an redaktion@rad-net.de!
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