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Lance Armstrong wurden seinen sieben Tour-de-France-Titel aberkannt. Foto: Bernd Thissen
22.10.2012 16:10
Armstrong verliert alle sieben Tour-Titel - BDR begrüßt die Entscheidung

Genf (dpa) - Die einmalige Tour-Ära Lance Armstrong wird aus den Radsport-Geschichtsbüchern gelöscht. Knapp zwei Wochen nach dem verheerenden Bericht der US-Anti-Doping-Agentur USADA stempelte auch der Radsport-Weltverband den Amerikaner endgültig als Doper ab.

Die UCI entzog ihm nachträglich seine sieben Gesamtsiege bei der Frankreich-Rundfahrt. «Lance Armstrong hat keinen Platz im Radsport», unterstrich Verbandsboss Pat McQuaid in Genf. «So etwas darf nie wieder passieren.» Personelle Konsequenzen schloss der umstrittene Ire aus. Was mit Armstrongs Titeln der Tour-de-France- Jahre 1999 bis 2005 passiere, will die UCI erst am Freitag bei einer Sondersitzung entscheiden.

Mehr als 1000 Seiten Beweismaterial der USADA, darunter die Aussagen elf ehemaliger Teamkollegen Armstrongs als Kronzeugen: Letztlich hatte die UCI keine Wahl, als die lebenslange Sperre der US-Anti-Doping-Jäger gegen den Texaner und die Aberkennung aller Erfolge von 1998 an zu bestätigen. «Was ich im USADA-Bericht gelesen habe, macht mich krank», sagte McQuaid. Über eine mögliche Rückzahlungsforderung der Siegprämien in Millionenhöhe soll ebenfalls erst am Freitag entschieden werden.

Dann soll auch geklärt werden, ob die Zweitplatzierten der sieben Rundfahrten zu Toursiegern ernannt werden. Armstrong hatte den gebürtigen Rostocker Jan Ullrich dreimal (2000, 2001, 2003) und Andreas Klöden aus Mittweida 2004 direkt hinter sich gelassen. Dass sich das deutsche Duo Hoffnungen auf das Gelbe Trikot machen kann, gilt als unwahrscheinlich. Tour-Chef Christian Prudhomme hatte sich jüngst dafür ausgesprochen, die Titel in dem «verlorenen Jahrzehnt» nicht neu zu vergeben.

Der Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, forderte Armstrong nun zu einem Geständnis auf. «Spätestens jetzt, nach der eindeutigen Entscheidung der UCI, wäre es für Lance Armstrong an der Zeit, sich umfassend zu äußern. Dies wäre sowohl für ihn selbst als auch für seinen Sport hilfreich», meinte Bach. Über die Bronzemedaille Armstrongs bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney wolle das IOC nach der UCI-Sitzung am Freitag entscheiden. Armstrong selbst äußerte sich zunächst bis zum Nachmittag nicht zu dem Urteil.

Kritik erntete auch die UCI: Nach Ansicht von Jean Regenwetter, den Präsidenten des Luxemburger Radverbandes und zuletzt schärfsten Verbandskritiker, dürfte sich in der UCI trotz McQuaids scharfen Worten wenig ändern. Am kommenden Freitag säßen «genau dieselben Leute zusammen, die dafür gesorgt haben, dass die Glaubwürdigkeit des Radsports in Zweifel gezogen wurde», sagte Regenwetter der Nachrichtenagentur dpa.

Auch bei der Pressekonferenz im Saal «St. Moritz» des Genfer Flughafen-Hotels Starling wurde aus der Verkündung des Strafmaßes gegen Armstrong schnell eine Rechtfertigungs-Veranstaltung der UCI. Vor Dutzenden Kamerateams und Fotografen sowie mehr als 100 Reportern schloss McQuaid einen Rücktritt aus. «Natürlich kann man in der Rückschau immer sagen, man hätte mehr tun können», sagte er.

Die USADA hatte in ihrem Bericht angedeutet, Armstrong habe einen positiven Dopingtest einst mit Hilfe der Verbandsspitze verschleiert. Den Vorwurf wies McQuaid zurück und nahm auch seine umstrittenen Vorgänger Hein Verbruggen und jetzigen Ehrenpräsidenten in Schutz. Für Regenwetter steht dagegen fest: «McQuaid und Verbruggen müssen weg.» Der Luxemburger will seinen Unmut über das System UCI und Änderungsvorschläge in Kürze in einem offenen Brief an die europäischen Verbände kundtun.

Dass die Anti-Doping-Maßnahmen im Radsport lange ungenügend waren, räumte auch McQuaid ein. «Es tut mir leid, dass wir nicht jeden verdammten Sünder erwischen konnten», sagte er. 218 Mal sei Armstrong auf Doping getestet worden - ohne positiven Befund. Dass der Radsport irgendwann komplett vom Doping befreit werde, glaubt McQuaid nicht.

Der gefallene Rad-Held Armstrong habe es verdient, vergessen zu werden, sagte McQuaid. Nicht alle sind dieser Meinung. «Dem stimme ich nicht zu», twitterte Sprinter Marcel Kittel. «Er soll für immer als Beispiel für den falschen Weg im Gedächtnis bleiben.»

Armstrong war von der USADA jahrelanges und systematisches Doping nachgewiesen worden. Wie Zeugen unter Eid berichteten, habe Armstrong EPO-, Testosteron-, Kortison- und Blutdoping betrieben. Zudem habe er Mannschaftskollegen zum Doping gezwungen und eingeschüchtert, als diese sich von ihm abgewandt hatten. Der Beschuldigte stritt die Vorwürfe ab.

Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) begrüßte die Entscheidung der UCI im Fall Armstrong. «Die Entscheidung der UCI ist nach der Beweislast nur konsequent. Entscheidend ist, dass ein «verseuchtes Jahrzehnt» aufgearbeitet und endlich abgeschlossen wird,» erklärte BDR-Präsident Rudolf Scharping, der sich bereits vor Wochen gegen eine Generalamnestie und gegen das Nachrücken der Nächstplatzierten im Tour-Klassement aussprach. Scharping erinnerte in diesem Zusammenhang noch einmal an die Politik des BDR, sich seit Jahren auf junge, unverbrauchte Sportler zu konzentrieren. Die Ergebnisse der gerade zu Ende gegangenen Bahn-Europameisterschaft, die der BDR als beste teilnehmende Nation mit vier Gold,- drei Silber- und einer Bronzemedaille abschloss, sprechen da für sich.

Armstrong war wegen der massiven Anschuldigungen zuletzt bereits von seinen wichtigsten Sponsoren - darunter Nike und am Montag auch dem Brillenhersteller Oakley - fallengelassen worden. Außerdem trat der 41-Jährige als Vorsitzender seiner Krebsstiftung Livestrong zurück. Der «Weltrekord-Doper» (New York Daily News) steht vor dem Ruin.

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