Venedig (dpa) - Der Auftakt machte ihm Mut - vielleicht auch für die bevorstehenden schwierigen Geschäftsgänge. Für Rückkehrer Lance Armstrong begann in Venedig das sportliche Abenteuer Giro d'Italia mit Platz drei und der optimistischen Prophezeiung: «Das war erst der Anfang.»
Am 15. Mai entscheidet sich die Zukunft seines Astana-Teams im fernen Kasachstan. Der Radsport-Verband der ehemaligen Sowjet-Republik ist als Halter der ProTour-Lizenz seit Monaten gegenüber seinem Personal in Zahlungsrückstand. Pat McQuaid soll vermitteln. Beim Besuch in der Landes-Hauptstadt Astana will der Chef des Weltverbandes UCI Klarheit über den Kassenstand. Sollte weiter kein Geld fließen, ist der Weg für Armstrong und dessen langjährigen Mentor Johan Bruyneel offen, mit einer eigenen Mannschaft in die am 4. Juli beginnende Tour de France zu gehen.
Angeblich stehen schon Interessenten aus der US-Wirtschaft bereit, die nach einem Astana-Aus freiwerdende Lizenz zu übernehmen und Armstrong zu alimentieren. Dafür sind nach einer Rechnung des nach seiner Schlüsselbein-OP rekonvaleszenten Texaners, dem am ersten Tag seiner Giro-Premiere nur 13 Sekunden zum Rosa Trikot des Briten Mark Cavendish fehlten, rund 15 Millionen US-Dollar pro Saison nötig. «Wir haben eigentlich noch einen Vertrag bis 2010 mit Astana, aber seit Jahresbeginn sind nur noch Teilbeträge geflossen und die Team- Sponsoren äußern sich nicht über die Hintergründe. Lance ist der richtige Typ dafür, im Notfall schnell eine neue Mannschaft auf die Beine zu stellen», sagte Armstrongs langjähriger Team-Kollege Wjatscheslaw Jekimow, jetzt sportlicher Leiter bei Astana.
«Nach Freitag werden wir klarer sehen», meinte UCI-Sprecher Enrico Carpani und verwies auf den ähnlichen Fall Coast/Bianchi aus dem Jahr 2003, als Jan Ullrich und sein damaliger Betreuer Rudy Pevenage kurz vor der Tour einen neuen Sponsor auftreiben mussten. «Damals ging das auch ziemlich schnell», meinte Carpani, der die Gehaltsausfälle der Astana-Angestellten lindern könnte. Bei Erteilung der ProTour-Lizenz muss jedes Team beim Weltverband drei komplette Monatsgehälter aller Beschäftigten als Sicherheit hinterlegen. «Wenn ein Astana-Fahrer nicht gezahltes Geld einfordert, können wir an die Bürgschaft. Das ist bisher aber noch nicht geschehen», sagte Carpani in Venedig der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Der noch bis August gesperrte Alexander Winokurow hatte das Astana-Team mit Hilfe potenter Wirtschafts-Unternehmen aus seiner Heimat 2006 aus dem Boden gestampft, nachdem der Vorgänger Liberty Seguros in der Fuentes-Affäre untergegangen war. Nach seinem positiven Tour-Test vor drei Jahren - Fremdblut-Doping - wurde Winokurow gesperrt und Astana kaufte Bruyneel als neuen «Macher» ein. Auf den besann sich natürlich Armstrong, als er sein Comeback im Herbst vorigen Jahres bekanntgab. Unter dem Belgier hatte er alle sieben Toursiege geholt, fünf davon mit Hilfe des russischen Zeitfahr-Spezialisten und Olympiasiegers Jekimow.
Die kasachische Wirtschaft könnte sich in schwierigen Zeiten wieder auf ihren «Nationalhelden» Winokurow konzentrieren wollen. Der kündigte bereits seine Rückkehr nach Ablauf seiner Sperre zur Vuelta im September an und verabschiedete sich zum Intensiv-Training nach Teneriffa. Comebacks höchst belasteter Radprofis sind im Moment modern. Beste Beispiele dafür sind Armstrong und der aus seiner zweijährigen Doping-Sperre wiedergekehrte, frühere Fuentes-Kunde Ivan Basso. Der Italiener, bestens befreundet mit Armstrong, ist schon wieder so weit, dass er allseits zum heißesten Kandidaten auf seinen zweiten Giro-Sieg erklärt wird.
Auf die Frage der «Gazzetta dello Sport», ob Basso als Neuzugang in einem etwaigen Armstrong-Team spätestens 2010 zur Diskussion stünde, antwortete der Seriensieger aus den USA: «Warum nicht?» Die Welt nimmt Anteil am Giro-Schicksal Armstrongs. Nach seinem gelungenen Auftakt registrierte er über sein bevorzugtes Twitter- Medium 811 435 Kontakte.