Berlin (dpa/rad-net) - ARD und ZDF werden die Tour de France in diesem Jahr zum letzten Mal live übertragen. Ab 2012 soll dann nur noch in kurzen Beträgen über das wichtigste Radrennen der Welt berichtet werden. Neben ARD/ZDF zeigt noch der Spartensender Eurosport die Tour mit Live-Bildern. Vor allem das Dauerthema Doping dürfte die Entscheidung stark beeinflusst haben. Die Rundfahrt finde «bei den deutschen Fernsehzuschauern nur noch eine geringe Akzeptanz, die lange Live-Sendestrecken nicht mehr rechtfertigt», hieß es in der Mitteilung.
Die Einschaltquoten gingen nach Senderangaben in den vergangenen Jahren stark zurück: Verzeichneten ARD und ZDF 2003 - zu Hochzeiten des früheren Radsport-Heroen Jan Ullrich - noch pro Etappe 3,1 Millionen Zuschauer im Schnitt und einen Marktanteil von 28,8 Prozent, so schalteten im vergangenen Jahr nur noch 1,26 Millionen (10,9 Prozent) ein.
Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) hat den TV-Ausstieg mit Bedauern zur Kenntnis genommen. «Die Entscheidung hängt wohl auch damit zusammen, dass Telenovelas preiswerter zu produzieren sind als eine aufwendige Live-Berichterstattung», kommentierte BDR-Präsident Rudolf Scharping die Entscheidung. «Wir gehen aber davon aus, dass die öffentlich-rechtlichen Sender weiterhin ausführlich und auch live über den deutschen Radsport berichten werden. Schließlich ist der BDR der erste Olympische Spitzensportverband, der das Ergebnismanagement aller wichtigen Dopingangelegenheiten an die Nationale Anti-Dopingagentur NADA übertragen hat und damit vorbildlich seine Anstrengungen im Kampf gegen Doping fortsetzt.»
Der private Sportsender will an seinem Radsportkonzept mit Live-Übertragungen festhalten. «Wir haben keine Pläne, die ausführliche Radsport-Berichterstattung zu verändern. Wir werden alles so fortsetzen, wie es ist», sagte Sprecher Werner Starz der dpa.
Ähnlich wie Scharping äußerte sich Erik Zabel, jahrelang eines der Zugpferde der Branche. «Wenn die Quote nicht stimmt und beispielsweise eine Serie wie Marienhof viel lieber gesehen wird, dann muss der Sender handeln», sagte der sechsmalige Gewinner des Grünen Trikots der dpa.
Bei der am 2. Juli 2011 beginnenden 98. Ausgabe der Tour sind ARD und ZDF noch gemäß Vertrag zu Live-Berichten verpflichtet. Der Kontrakt der Europäischen Rundfunk Union (EBU) - in der die Sender mit anderen europäischen TV-Anstalten zusammengeschlossen sind - mit dem Tour-Veranstalter ASO endet danach. Einem neuen Vertrag für die Jahre danach wollen ARD und ZDF nicht mehr beitreten.
Bereits in der Vergangenheit hatten sich mehrere ARD-Intendanten wegen der zahlreichen Skandale - derzeit vor allem um den Tour-Sieger Alberto Contador - für einen Ausstieg ausgesprochen. «Dass auch das schlechte Radsport-Image dabei eine Rolle spielt, darüber brauchen wir nicht zu reden», erkannte auch Zabel.
ARD und ZDF waren schon 2007 nach etlichen Dopingfällen während der Frankreich-Rundfahrt aus der Live-Berichterstattung ausgestiegen, im Jahr darauf aber wieder zurückgekehrt. 2009 schraubten die Öffentlich-Rechtlichen den Live-Anteil auf rund 30 Minuten pro Tag zurück, 2010 wurde gar wieder rund eine Stunde Live-Tour gezeigt.
Der Ausstieg der beiden Sender reiht sich in den Niedergang der Sportart in Deutschland, der mit dem Aus des letzten Elite-Rennstalls Milram im Vorjahr seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hatte.
Eine Trendwende kann nach Ansicht von Zabel nur durch saubere, sportliche Erfolge herbeigeführt werden. «Es könnte wieder ein Zurück geben, wenn es einen deutschen Protagonisten gäbe, der vielleicht mal eine Woche in Gelb fährt oder im Grünen Trikot Paris erreicht. Dann werden wieder alle Kanäle aktiviert werden.»