Colmar (dpa) - Lance Armstrong prophezeit eine «grausame Woche», Alberto Contador erwartet die Neuordnung des Klassements, und der aussichtsreichste Herausforderer Andy Schleck verspricht ein «Feuerwerk»: Die Alpen sind in Sicht.
Damit biegt die Tour de France in die entscheidende Kurve ihrer 96. Austragung. «Der Sonntag läutet das Finale ein», sagte Milram-Teamchef Gerry van Gerwen, dessen Augen auf seinen bisher eher im Hintergrund agierenden Kapitän Linus Gerdemann gerichtet sind: «Das Vertrauen zu ihm ist völlig da.» Genau wie Armstrong hatte der Münsteraner Radprofi Gerdemann vor der Tour die Alpen, in denen er mit seinem Etappensieg 2007 groß herausgekommen war, besonders unter die Lupe genommen.
Spätestens am 19. Juli auf der «Königsetappe» über sechs Berge auf dem Weg nach Verbier wird es zum Showdown im Hause Astana kommen: Das Duell Armstrong/Contador steht vor der Entscheidung - und nicht wenige würden alles auf den Spanier setzen, zumal der Rekordsieger aus Texas in dem verletzten Levi Leipheimer am Freitag einen seiner wichtigsten und ergebensten Helfer verlor. Nach dem zweiten Ruhetag am Montag folgt am Dienstag eine weitere Kletterpartie über den Sankt-Bernhard-Pass, dann das 40,5 Kilometer lange Zeitfahren in Annecy (Mittwoch) und am vorletzten Tour-Tag die Erstürmung des Mont Ventoux, auf dem der 37 Jahre alte Armstrong noch nie siegen konnte.
«Ich glaube nicht an Armstrong. Er hat ein gewisses Alter, und Contador ist imstande, in den Bergen richtige Abstände herauszufahren. Beim Zeitfahren zum Auftakt in Monaco hat Armstrong gegen Contador 20 Sekunden auf den ersten fünf ansteigenden Kilometern verloren. Das hat etwas zu bedeuten», sagte der fünffache Toursieger Bernhard Hinault, der 1985 und 1986 mit dem Amerikaner Greg LeMond bei La Vie Claire eine ähnliche «Zwangsehe» in einem Team führte wie Armstrong und Contador. Der Franzose musste nach heftigen Querelen LeMond 1986 in Paris den Vortritt lassen und verpasste seinen sechsten Gesamtsieg. «Wenn Contador unter diesen Umständen gewinnt, ist es ein ganz großer Sieg», meinte Hinault im Hinblick auf die «psychologische Kriegsführung» Armstrongs gegen Contador.
Der elf Jahre jüngere Spanier, der seinen Titel von 2007 im Vorjahr nicht verteidigen durfte, weil sein Team wegen der Doping- Vergangenheit ausgeschlossen war, wirkt nach 14 Tagen Tour gelassener als zu Beginn. «Ich bin in der Position, dass ich reagieren kann auf das, was die anderen machen», sagte der zierliche Madrilene. Sicher nur aus Höflichkeit ordnete Armstrong, der bei der ersten ernsthaften Bergtour in den Pyrenäen in Andorra 21 Sekunden auf Contador verlor, «Sastre, die Schleck-Brüder und Evans in die gefährlichste Kategorie» der Konkurrenten ein. In Wahrheit hat der siebenfache Toursieger nur einen im Blick: Alberto Contador.