Berlin (dpa) - Auf der Straße der Alliierten in Utah Beach am französischen Atlantik geht es für die deutschen Topsprinter André Greipel und Marcel Kittel um alles oder nichts. Kein Weg dürfte zum Auftakt der 103. Tour de France nach 188 Kilometern an ihnen vorbeiführen.
Die Generalprobe auf dem Juri-Gagarin-Ring in Erfurt hatte Greipel mit dem Gewinn des dritten deutschen Meistertitels für sich entschieden. Kittel war im Schlussspurt eingebaut und musste mit Rang drei zufrieden sein. Doch am Samstag werden die Karten neu gemischt.
«Ich bin stolz, das Trikot zum dritten Mal zu tragen. Der Sieg ist gut fürs Selbstvertrauen», sagte Greipel vor dem bevorstehenden Showdown mit seinem Rivalen aus Thüringen. Im Gegensatz zu Greipel kennt Kittel das berauschende Gefühl, das «Maillot Jaune» zu tragen. Er holte es 2013 und 2014, als die Tour ebenfalls mit einer Flachetappe und nicht wie sonst üblich mit einem Prolog begann.
«Ich versuche, da entspannt reinzugehen - wie 2013 oder 2014. Klar ist auch im Team die Erwartungshaltung da, aber ich will locker bleiben», sagte Kittel, der nach einem Jahr Tour-Zwangspause mit besonderem Elan und mit seiner neuen Etixx-Quickstep-Mannschaft an der Seite von Tony Martin ins Rennen geht. Zehn Saisonsiege - zuletzt zwei beim Giro d'Italia - sprechen dafür, dass er die Turbulenzen des Vorjahres mit langer Krankheit und einem geräuschvollen Teamwechsel verarbeitet hat.
Greipel hatte Kittel im Vorjahr beim Saisonhöhepunkt in Frankreich mehr als würdig vertreten. Der bullige Rostocker war mit vier Etappensiegen bei den hektischen Massensprints der unverrückbare Fels in der Brandung. Am Samstag will der 33-Jährige endlich Gelb.
«Eine solche Chance für uns Sprinter kommt nicht oft. Wir haben uns die letzten 40, 50 Kilometer der Etappe schon angeschaut», sagte Greipel, der in seinem Lotto-Soudal-Team in den Massensprints ähnlich kompetente Unterstützung erhält wie Kittel beim belgischen Konkurrenten.
Bei den nationalen Titelkämpfen in Erfurt funktionierte das Tandem Kittel/Martin - auch wenn das Happyend ausblieb. «Tony ackert für zehn. Er wird in unserem Sprintzug einer der letzten Anfahrer sein. Mein letzter Mann ist Fabio Sabatini», erklärte der achtfache Tour-Etappensieger Kittel die Taktik für die letzten Kilometer. Greipels wichtigster Bodyguard in den oft chaotischen Massensprints ist sein Freund und Trauzeuge Marcel Sieberg, der ihn auch am Wochenende zur erneuten Meisterschaft pilotiert hatte.
«Die Mannschaftsstärke wird bei den Sprints der Tour mitentscheidend sein. Da gehören wir mit Greipels Lotto-Soudal-Team sicher zu den Stärksten», meinte Kittel, der im Oktober mit Greipel auch um die Kapitänsrolle in der deutschen Mannschaft bei der Rad-WM in Katar streiten wird.
Beim Gewichten der Sprint-Favoriten für den Tour-Auftakt in der Normandie sollte die Konkurrenz allerdings nicht vergessen werden. Kittel nannte da neben Greipel, den britischen Ex-Weltmeister Mark Cavendish (Dimension Data), den Norweger Alexander Kristoff (Katusha) und den Franzosen Bryan Coquard. Die Phalanx könnte durch den ungestümen Nacer Bouhanni (Frankreich) und den niederländischen Newcomer Dylan Groenewegen erweitert werden, der Greipel bei «Rund um Köln» bezwungen hatte.