Frankfurt (rad-net) - Am 1. Januar 2016 feierte Detlef Uibel sein 25-jähriges Dienstjubiläum als Kurzzeit-Trainer im Bund Deutscher Radfahrer (BDR). Nachdem der heute 56-Jährige seit dem 1. Januar 1991 zunächst die Frauen, Junioren und Juniorinnen unter seiner Obhut hatte, übernahm er im Oktober 1996 den Posten als verantwortlicher Trainer im Elitebereich - und das bis heute. «Wir arbeiten sehr gerne mit ihm zusammen. Die Arbeit mit Detlef ist sehr gewinnbringend», sagt BDR-Sportdirektor Patrick Moster über den erfolgreichsten amtierenden Bundestrainer im BDR.
In einem Interview mit rad-net erzählt Detlef Uibel aus seiner eigenen Sicht, wie er die letzten 25 Jahre - ein Vierteljahrhundert - als Bundestrainer erlebt hat - von den Anfängen 1991 bis heute und noch ein wenig darüber hinaus.
Herr Uibel, hätten Sie vor 25 Jahren gedacht, dass Sie 2016 immer noch im Amt des Bundestrainers sind?
Detlef Uibel: Das hätte ich sicherlich nicht gedacht! Es war Anfangs eine sehr schwere Zeit, da man sich in ein völlig anderes System integrieren musste. Die Tatsache, dass der Sprint in der damaligen DDR sehr viel populärer und erfolgreicher als in der damaligen BRD war, war sicherlich ein großer Vorteil. Durch meine sportliche Laufbahn und meinem Studium an der DHfK Leipzig, brachte ich sicherlich viel Erfahrungen und Wissen mit, was auch schon in den Juniorenklassen erfolgreich umgesetzt werden konnte.
Aber daran geglaubt hätte ich auch deswegen nicht, weil es von Anfang an nur Zweijahresverträge gab und somit eine längerfristige Perspektive nicht erkennbar war. Ab 1996 gab es dann Vierjahresveträge, die bis heute noch Bestand haben.
Können Sie sich noch an Ihre erste WM als Trainer zurückerinnern? Wie war das für Sie? Haben Sie besonders hohen Druck oder Ähnliches verspürt?
Uibel: Meine erste WM als Junioren-Bundestrainer war 1991 die Junioren-Weltmeisterschaften in Colorado Springs. Das war die erste WM einer gesamtdeutschen Mannschaft. Es war eine sehr erfolgreiche WM für die gesamte Mannschaft und es war eine super Stimmung im Team. Viele der damals erfolgreichen Junioren waren dann auch später im Elitebereich sehr erfolgreich, wie Danilo Hondo, Olaf Pollack oder Ina-Yoko Teutenberg und sind teilweise heute noch aktiv, wie zum Beispiel Hanka Kupfernagel.
Es gab keinerlei Berührungsängste zwischen den Sportlern und auch Betreuern. Bei den Lehrgängen im Vorfeld hatte man sich kennengelernt. Dabei hatte ich großes Glück, dass ich mit Robert Lange einen Kollegen aus dem Bahnausdauer-Bereich kennengelernt habe, mit dem ich auch bis zu seinem tödlichen Unfall im Frühjar 2000 sehr eng befreundet war.
Aber natürlich war der Druck sehr groß, aber in erster Linie durch mich selbst. Ich war sehr aufgeregt und konnte kaum schlafen... Was aber teilweise heute noch so ist.
Meine erste Elite-WM durfte ich dann im gleichen Jahr in Stuttgart als Frauen-Sprinttrainer erleben. Das war eine super WM, mit einer fantastischen Stimmung in der Schleyerhalle. Anett Neumann konnte Silber im Sprint der Frauen erringen. Diese WM zählt für mich heute noch zu den schönsten und stimmungsvollsten Weltmeisterschaften.
Rio werden wohl Ihre siebten Olympischen Spiele als Trainer sein. Was bedeutet Ihnen Olympia?
Uibel: ... Es wird meine sechste Teilnahme sein. Offiziell sind es sogar nur fünf Olympiateilnahmen. 1992 in Barcelona war ich nicht akkreditiert, sondern als Heimtrainer vor Ort; 1996 in Atlanta war ich gar nicht dabei.
Olympia ist gesellschaftspolitisch und somit auch für jeden Sportler und Trainer der absolute Höhepunkt. Leider wird das Olympiaergebnis zu oft nur als einziger Maßstab für die sportliche Leistung benutzt. Da wir im Radsport aber jedes Jahr eine WM - auch im Olympiajahr - haben, ist es für alle, Sportler wie Betreuer, sehr schwer, ein sehr hohes Leistungsniveau über einen kompletten Olympiazyklus halten zu können. Deshalb ist diese Qualität eigentlich viel höher zu bewerten.
Was war für Sie der bisher größte Erfolg beziehungsweise Ihr schönstes Erlebnis in den vergangenen 25 Jahren?
Uibel: Der Olympiasieg 2004 in Athen im Teamsprint der Männer war sicherlich das Highlight. Aber auch der dreifache Titelgewinn von Kristina Vogel 2014 bei der WM in Cali gehört dazu. Das sind sicherlich einmalige Ergebnisse, die sich nicht so einfach wiederholen lassen.
Und die größte Niederlage?
Uibel: Niederlagen gab es eigentlich regelmäßig, wenn man jede Disziplin für sich betrachtet. Was ja auch sein Gutes hat, weil man in der Analyse dann immer wieder bestimmte Sachen hinterfragen muss.
Ein sehr schwerer und bitterer Moment war sicherlich auch der kurzfristige Ausfall von Stefan Nimke bei den Olympischen Spielen 2012 in London. Kurz vor den Start im Teamsprint musste ich eine Entscheidung treffen, ob Stefan starten kann oder nicht. Nach einen Trainingssturz innerhalb der Olympiavorbereitung, hatte er massive muskuläre Probleme, welche sich bis zum ersten Wettkampftag in London hinzogen. In letzter Minute musste ich Stefan Nimke gegen Robert Förstemann auswechseln. Diese Entscheidung war für Stefan und für mich sehr hart und emotional kaum wiederzugeben. Mit der Auswechslung war dann auch noch ein Positionswechsel innerhalb der Teamsprintmannschaft notwendig, was natürlich nicht so einfach zu kompensieren war. Mit der Bronzemedaille haben wir dann sicherlich noch das Minimalziel erreicht.
Können Sie aus dem Stehgreif sagen, wie viele WM-Titel und Olympiasiege Sie mit Ihren Sportlern bisher geholt haben?
Uibel: Ein Journalist hat mal vor Jahren eine Rechnung aufgemacht, die ich jetzt ergänzt habe. Es sind also 65 WM-Medaillen, davon 22 WM-Titel und es sind elf Olympiamedaillen, davon zwei Olympiasiege.
Sind Sie stolz auf das was Sie geleistet haben?
Uibel: Stolz ... In erster Linie darauf, dass es mir gelungen ist, viele Tugenden, die wir aus DDR-Zeiten kannten, auch in das neue System zu integrieren. Wie Anerkennung der allgemeinen Trainingsprinzipien, Planungssicherheit, Konsequenz bei der Umsetzung, Disziplin, und so weiter. Aber auch das jetzt vorhandene Stützpunktsystem im Kurzzeitbereich mit den entsprechenden Stützpunktrainern zählt dazu.
Rein sportlich gesehen: Dass es in meiner gesamten Tätigkeit kein Jahr gab, wo wir keine Medaille gewonnen haben. Das bedarf aber auch ein großes Dankeschön an die Heimtrainer, die hervorragende Arbeit leisten!
Wie ist es für Sie, wenn Sie gegen Ihre ehemaligen Schützlinge wie Jan van Eijden oder René Wolff als Trainer bei wichtigen Wettkämfen antreten?
Uibel: Es freut mich immer, wenn ehemalige Sportler die Trainerlaufbahn einschlagen und ihre Erfahrungen weitergeben. Dass sie jetzt im Ausland erfolgreich arbeiten und damit auch direkte Konkurrenz sind, zeigt doch, dass wir in Deutschland gute Arbeit leisten! Wir akzeptieren uns natürlich und arbeiten zum Teil auch bei der Wettkampfplanung zusammen.
Welcher Sportler - deutsch oder international - hat beziehungsweise beeindruckt Sie am meisten?
Uibel: Es sind sicherlich einige Sportler auf internationaler Ebene zu nennen, die mit ihren Leistungen, aber auch mit ihre Persönlichkeit, bleibende Eindrücke hinterlassen haben... Sir Chris Hoy, Florian Rosseau, Felicia Ballange oder die jetzt noch Aktive Anna Meares.
Auf nationaler Ebene ist es sicherlich Kristina Vogel, die sich nach einem schweren Unfall 2009 und dessen Folgen wieder zurückgekämpft hat und derzeit eine der erfolgreichsten Sportlerinnen überhaupt ist.
Sie sind der Trainer, der beim BDR am allerlängsten im Amt ist. Sehen wir Sie in 25 Jahren immer noch als Trainer am Bahnrand?
Uibel: 25 Jahre?! (lacht) Nein, mit Sicherheit nicht. Aber bis zur Rente schon noch!