Stuttgart (rad-net) - UCI-Präsident Brian Cookson gab sich am zweiten Wettkampftag in Stuttagart die Ehre und versprach: «Ich bin zum ersten Mal beim Hallenradsport, werde aber wieder kommen.» «Amazing», nannte er die Atmosphäre in der Porsche-Arena. Und dann platzierte er das Spielgerät zum Anstoßkreis der Partie Deutschland – Tschechien unter donnerndem Applaus. Vorher hatte sich der Brite die WM-Stätten zeigen lassen, einschließlich der Amüsiermeile in der Party-Halle. Auch von dort nahm er bleibende Eindrücke mit. Mit Brian Cookson scheint der Hallenradsport einen neuen Fan an höchster Stelle gefunden zu haben.
Zum vierten Mal in Folge holten sich am Samstagabend in der Stuttgarter Porsche-Arena die Brüder André und Benedikt Bugner den Weltmeister-Titel im Zweier der Offenen Klasse. Damit gelang dem Duo aus Klein-Winternheim ein Kunststück, das bislang in der Geschichte dieser Disziplin erst fünf weiteren Paaren geglückt war.
Hoch zufrieden mit ihrem Abschneiden durften aber zurecht auch die zweitplatzierten Serafin Schefold (20) und Max Hanselmann (19) aus Öhringen sein. Das schwäbische Duo, in der Porsche-Arena naturgemäß von vielen mitgereisten Fans angefeuert, leistete sich beim ersten WM-Finalauftritt ebenfalls keinen groben Fehler und sicherte sich mit 145,50 Zählern die Silbermedaille. «Für uns war es das große Ziel, überhaupt hier in Stuttgart dabei zu sein. Im letzten Jahr hatten wir das ja nur minimal verpasst und wollten diesmal unbedingt die Qualifikation schaffen. Die Freude, dass uns das gelungen ist, konnten wir in den Wettkampf mitnehmen und die Nervosität in Motivation umwandeln», zeigte sich Serafin Schefold hoch zufrieden. Die Bronzemedaille sicherten sich Marcel Schnetzer und Jana Latzer aus Österreich. Der Bruder des Radball-Titelverteidigers Patrick Schnetzer kam mit seiner Partnerin auf 124,06 Zähler und verwies damit das Duo aus Hongkong auf Rang vier. Schnetzer und Latzer kündigten anschließend an, bei der Heim-WM 2017 in Dornbirn den deutschen Duos noch enger auf die Pelle rücken zu wollen.
Nach einem durchwachsenen Auftritt in der Vorrunde waren Bugner/Bugner durchaus mit einer Portion Nervosität in den Wettkampf gegangen. Doch pünktlich zum Beginn ihrer Kür war davon nichts mehr zu spüren. Elegant und präzise absolvierten sie Übung um Übung und leisteten sich keinen erkennbaren Fehler. 161,24 Punkte und das Regenbogen-Trikot waren der Lohn für die 22- (André) bzw. 20-jährigen Studenten aus Rheinland-Pfalz. «Das war ein genialer, perfekter Tag», brachte André Bugner die Erleichterung auf den Punkt. «Und das, obwohl der Weg hier her so holprig war, ich hatte mir ja kurz vor Saisonbeginn den Mittelfußknochen gebrochen.» Und mit dem vierten Titel gerade erst in der Tasche blickte sein Bruder Benedikt bereits kämpferisch aufs kommende Jahr. «Wir werden in Dornbirn auf jeden Fall wieder antreten – und mit Sicherheit noch einiges drauf packen.»
Lisa Hattemer heißt die neue Weltmeisterin im 1er Kunstradfahren der Frauen. Im Finale bezwang die 24-Jährige aus Gau-Algesheim ihre Teamkollegin Viola Brand, die den deutschen Doppelsieg vor der Slowakin Nicole Frybortova perfekt machte. Zwar konnte keine der deutschen Athletinnen ihr volles Potenzial abrufen – beide mussten während der Kür vom Rad –, Gold und Silber waren dennoch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Gefahr. Nachdem Frybortova als erste Finalstarterin mit 166,75 ein solides Resultat vorgelegt hatte, war es zunächst an Lokalmatadorin Viola Brand, diese Messlatte zu übertreffen. Nach souveränem Beginn sorgte ihr Patzer in der Mitte der Kür kurz für ein Raunen in der Halle. Doch die für den RSV Unterweissach startende Schorndorferin fand nahtlos zurück in die Spur und brachte ihren Vortrag unter dem Jubel der Fans ohne weitere Fehler zu Ende. 173,75 Zähler waren damit die Herausforderung für die letzte Starterin, Weltrekordhalterin Lisa Hattemer. Auch sie musste im Verlauf ihrer Kür vom Rad, doch wie Brand ließ sich auch die erfahrenere der beiden BDR-Starterinnen nicht von diesem Missgeschick beeindrucken, brachte ihren Vortrag am Ende souverän über die Zeit und feierte mit 178,33 Zählern nach Silber 2013 und Bronze 2015 den ersten WM-Titel.
«Man trainiert so lange auf einen solchen Wettkampf hin. Und dann ist es endlich soweit. Ich kann es noch gar nicht fassen, dass ich nach Silber und Bronze jetzt den Titel gewonnen habe», erklärte die strahlende Siegerin, die eine einfache Erklärung dafür hatte, nach dem Fehler so schnell wieder in die Spur gefunden zu haben. «Abhaken und weitermachen, volle Konzentration auf das was kommt», so die Rheinland-Pfälzerin, «sonst steht man ganz schnell ein zweites Mal auf dem Boden.» Extrem erleichtert über ihr Abschneiden zeigte sich Viola Brand: «Mir fällt ein riesen Stein vom Herzen nach dieser Saison, die mit der Verletzung eigentlich so schlecht gestartet ist», so die Schwäbin, die im Sommer selbst nicht an eine WM-Teilnahme geglaubt hatte. «Ich kann’s einfach noch gar nicht fassen.» Im Radball präsentierten sich in den abschließenden Vorrundenbegegnungen der Gruppe A die deutschen Bernd und Gerhard Mlady in bester WM-Form. Gegen Top-Favorit Österreich waren die Steiner absolut auf Augenhöhe und mussten sich nur knapp mit 5:7 geschlagen geben. Alle weiteren Spiele konnten die Mladys gewinnen.