Hamburg (dpa) - Lance Armstrongs Teilnahme an der Tour de France für das Astana-Team steht wohl nichts mehr im Weg - das Starterfeld der 96. Frankreich-Rundfahrt ist trotzdem unsicherer denn je.
Nachdem der Radsport-Weltverband (UCI) wegen Doping-Verdachts Disziplinarverfahren gegen ein Quintett um Ex-Weltmeister Igor Astarloa einleiten will, stehen wohl noch weitere Enthüllungen vor dem Tour-Start am 4. Juli bevor. Zumindest im Fall Astana scheint Klarheit zu herrschen. Die Equipe kündigte an, dass die Finanzprobleme gelöst und die Zukunft des Teams gesichert seien. «Wir sind froh, dass wir mit unserem starken Team weitermachen können», sagte Astana-Teamchef Johan Bruyneel nach einem Treffen mit einem Vertreter der kasachischen Regierung und den Sponsoren.
Nicht starten darf Ex-Weltmeister Tom Boonen nach wiederholtem Kokain-Konsum. Die Tour-Organisatoren schlossen den Ex-Weltmeister wie erwartet aus. Boonen war im April positiv auf Kokain getestet worden. Auch sein dritter Kokain-Konsum innerhalb eines Jahres, für den er sich noch gerichtlich verantworten muss, erfolgte jeweils außerhalb des Wettkampfes und ist nach dem Reglement nicht sanktionswürdig.
Armstrong und Co. müssen die Entscheidung der Lizenz-Kommission der UCI abwarten. Der wollte UCI-Sprecher Enrico Carpani trotz der positiven Signale von Astana, dass Gelder gezahlt und die Versprechungen der kasachischen Regierung garantiert seien, nicht vorgreifen. «Wenn wir ein endgültige Entscheidung getroffen haben, werden wir sie bekanntgeben», sagte Carpani der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die UCI hatte von den Astana-Sponsoren, ein Konsortium kasachischer Wirtschaftsunternehmen, die Hinterlegung einer Garantiesumme von sechs Millionen Euro gefordert. Andernfalls drohte der Lizenzentzug.
Der dürfte nun vom Tisch sein - und die Tour-Veranstalter können mit der Teilnahme der Topfahrer Armstrong, Alberto Contador, Andreas Klöden und Levi Leipheimer rechnen. Bruyneel jedenfalls atmete auf, nachdem er eine Übereinkunft mit dem kasachischen Radsport-Verband KCF erzielt hatte, um die Finanzprobleme zu lösen. «Da es nur noch 16 Tage bis zur Tour de France sind, brauchen die Fahrer geistige Ruhe.» Es wäre «kaum vorstellbar» gewesen, wenn das Astana-Team beim «größten Radsport-Event» nicht dabei gewesen wäre, sagte der Belgier. Er richtete ein Versprechen an die kasachischen Geldgeber und eine Warnung an die Konkurrenz: «Wir werden sie nicht enttäuschen.»
Nachdem die Causa Astana geklärt ist, dürfte die Tour-Veranstalter nun vor allem die Frage beschäftigen, ob nach dem beschuldigten Quintett noch mit weiteren Doping-Enthüllungen zu rechnen ist, wie es die UCI-Anti-Doping-Beauftragte Anne Grippe andeutete. «Wir werden wahrscheinlich nicht noch einmal mit einer Gruppe von fünf vorangehen, aber wenn der Zeitpunkt richtig ist, werden wir die Namen weiterer Fahrer nennen», sagte Gripper laut «cyclingnews».
Die UCI hatte den früheren Milram-Profi Astarloa, den Ex-Gerolsteiner-Fahrer Francesco De Bonis, den Spanier Ruben Lobato sowie Pietro Caucchioli und Ricardo Serrano, die beide von ihren Teams Lampre und Fuji-Servetto suspendiert wurden, belastet. Erstmals drohte die UCI damit Sanktionen an, die auf die Einführung des rund fünf Millionen Euro teuren Blutpass-Programms vor rund eineinhalb Jahren zurückgehen. «Ich finde, man ist mit dem Blutpass auf dem richtigen Weg», sagte Milram-Teamchef Gerry van Gerwen der dpa.
Allerdings hat es den Anschein, als seien die fünf nun genannten Südeuropäer nur Bauernopfer. Große Fische jedenfalls sind der UCI bislang dank des Blutpasses nicht ins Netz gegangen. «Es entsteht offensichtlich dem Radsport kein all zu großer Schaden. Es sind alles Fahrer von Teams, die nicht mehr existieren, oder Fahrer, die irgendwo rausgeflogen sind», meinte Ex-Gerolsteiner-Teamchef Hans- Michael Holczer mit ironischem Unterton. Gripper trat derweil vehement dem Eindruck entgegen, die UCI sortiere bewusst prominente Fahrer aus: «Ich weiß, dass die Leute nach den großen Namen suchen, aber wir können nicht künstlich Daten erzeugen.»
Nach Ansicht der Blutpässe von rund 840 Fahrern ist die Anti- Doping-Beauftragte zuversichtlich, «dass wir eine weitaus höhere Anzahl von sauberen Fahrern haben als jemals zuvor». Um auch rund um die Tour alle Zweifel einzudämmen, will der Weltverband den Fokus seines Testprogramms auf jene 50 Profis richten, die für Etappensiege oder eine Topplatzierung in der Gesamtwertung in Frage kommen.