Spalt (dpa) - Als der erste Jubel über die gelungene Generalprobe für die Tour der France verflogen war, wurde Erik Zabel nachdenklich. Im Schatten eines riesigen Weißbier-Glases, aus dem er sich nur einen kleinen Schluck gegönnt hatte, überraschte der neue deutsche Meister mit einem Geständnis.
«Unabhängig vom Meistertrikot freue ich mich erstmals seit Jahren wieder auf die Tour», sagte Zabel, der die «große Schleife» in Paris schon zum zehnten Mal in Angriff nimmt. Eine Woche vor seinem 33. Geburtstag fährt der Routinier ohne den Druck der vergangenen Jahre nach Frankreich. Hier hatte der Australier Robbie McEwen Zabel im vorigen Jahr nach sechs Triumphen hintereinander das Grüne Trikot entrissen.
Die Last, in der ersten Woche für die deutschen Erfolge sorgen zu müssen, sei zuletzt stets groß gewesen. «Der Druck des Grünen Trikots war jahrelang da», räumte Zabel ein. Der Gewinner von zwölf Tour-Etappen sieht sich auch in diesem Jahr nicht unbedingt als Favorit in der Punktwertung. «Wenn man auf Alessandro Petacchi in Giro-Form trifft, dann ist er schon der Favorit für die Sprints», erklärte der Telekom-Kapitän.
Doch nach Zabels erstaunlicher Solofahrt über 40 km beim nationalen Titelrennen in Spalt meinte der zweitplatzierte Patrik Sinkewitz: «Ich möchte nicht mehr hören, dass Zabel ein reiner Sprinter ist. Er ist nicht von ungefähr die Nummer 1 der Welt. Es war nicht einfach, ihn zu jagen.» Sinkewitz war zuletzt bei der Tour de Suisse auf Platz 13 immerhin zweitbester Deutscher nach Olympiasieger Jan Ullrich, der beim nationalen Titelrennen fehlte. Der in Spalt auf Rang 3 gelandete Fabian Wegmann gestand mit Blick auf Zabel: «Ich dachte, wir würden das noch schaffen, aber es hat nicht gereicht.»
Ob es für ihn bei der 90. Tour de France zum 13. Etappenerfolg reicht, vermochte Zabel nicht zu prophezeien: «1998 bin ich als Meister zur Tour gekommen, bin dort im Sprint aber regelmäßig an den Etappensiegen vorbeigeschrammt», so Zabel rückblickend. Zwar fehlt auch in diesem Jahr mit Weltmeister Mario Cipollini einer der Hauptkonkurrenten, doch wegen des 100-jährigen Tour-Jubiläums und der vielen französischen Mannschaften erwartet Zabel einen noch härteren Wettbewerb um die Tageserfolge. Als Helfer fehlen werden ihm dabei der noch verletzte Vorjahresmeister Danilo Hondo und der Italiener Gian-Matteo Fagnini.
Es sei immer schwer, die richtigen neun Tour-Fahrer zu nominieren, meinte Zabel. Ob die Entscheidung aufgegangen sei, zeige sich sowieso erst nach drei Wochen in Paris. Allzuviel Bedeutung für das eigene Abschneiden scheint die Besetzung des Telekom-Teams für ihn sowieso nicht zu besitzen. «Im letzten Jahr habe ich mit Hondo und Fagnini die Erfahrung gemacht, dass es schwer ist, eine Etappe zu gewinnen. 2001 hat gezeigt, dass es auch ohne Anfahrer möglich ist.» Die Schlussfolgerung des gebürtigen Berliners ist deshalb einfach: «Lasst uns losfahren und nicht so viel diskutieren und nachdenken.»