Mailand (dpa) - Mit dem ersten und längsten klassischen Eintagesrennen im Radsport beginnt am Sonntag die heiße Phase der Saison.
Bei der 106. Auflage von Mailand-San Remo über 293 Kilometer sind die Sieger der Vorjahre die großen Favoriten - und Peter Sagan. «Es gab selten so viele Anwärter auf den Sieg wie diesmal», sagte John Degenkolb der Deutschen Presse Agentur.
DIE DEUTSCHEN: Mehr als Außenseiterchancen auf den prestigeträchtigen Sieg auf der Via Roma hat John Degenkolb. «Ich bin mit meinem Niveau zufrieden. Eine leichte Erkältung vom Wochenende habe ich überwunden. Schlechtes Wetter wie zuletzt hier in Italien könnte ich besser wegstecken als so manch anderer», sagte der Profi vom deutschen Giant-Alpecin-Team, der 2012 bereits auf einen hoffnungsvollen fünften Platz gefahren und vom viermaligen Mailand-San Remo-Sieger Erik Zabel in den höchsten Tönen gelobt worden war. Ein Sieg auf der Via Roma wäre Degenkolb «mehr wert als ein Tour-Etappensieg», dem er schon seit Jahren hinterher fährt. Die Wetterprognose für Sonntag: Regen.
Aussichten zumindest auf das Podium haben auch Topsprinter André Greipel, der bei Paris-Nizza eine Etappe gewann, und Gerald Ciolek. Der Pulheimer ließ durch einen zweiten Etappenplatz bei Tirreno-Adriatico hinter Sagan aufhorchen und scheint gerüstet. «Das ist mein wichtigstes Rennen im Frühjahr. Die Form ist da und mit Boasson-Hagen und Goss haben wir noch mehr Optionen», sagte Ciolek, der das denkwürdige Rennen 2013 gewonnen hatte, das wegen Eis- und Schnee teilweise unterbrochen worden war. «Das ist schon etwas Besonderes, als Pro Conti Team mit zwei ehemaligen Siegern an den Start zu gehen. Das bringt uns auch in eine Favoritenrolle», sagte Jens Zemke, der Teamchef der drei MTN-Fahrer.
DIE FAVORITEN: Der Slowake Sagan, für viel Geld zu Tinkoff-Saxo gewechselt, will es im fünften Anlauf endlich schaffen. Sein Etappensieg bei Tirreno-Adriatico macht ihm Mut. Ein Sieg in San Remo würde sicher entscheidend zur Beruhigung des manchmal aufbrausenden Teambesitzers Oleg Tinkow führen. Der russische Milliardär hat wieder einmal öffentlich Kritik an der bisher geringen Saisonausbeute des Teams geäußert und die «Millionengagen» seiner Topstars Sagan und Alberto Contador ins Spiel gebracht. Der Slowake erwiderte trocken: «Druck machen wir uns selber, der muss von keinem anderen kommen.»
Hauptkonkurrent des Topfavoriten dürfte in erster Linie der vierfache Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara (Schweiz/Sieger 2008) sein, der gerade das Tirreno-Finale gewann. Aber auch Vorjahressieger Alexander Kristoff (Norwegen) und der britische Ex-Weltmeister Mark Cavendish (2009) werden neben den deutschen Radprofis hoch gehandelt.
DIE TRADITION: Der Superlativ «Classicissima» ist den Italienern gerade gut genug als Beschreibung ihres berühmten Frühjahrs-Klassikers. Das Rennen, das zum ersten Mal nach fünf Jahren wieder auf der Via Roma mitten in der kleinen Stadt an der Blumen-Riviera endet, ist meist etwas für Sprinter. Allerdings müssen auch die im Finale zweimal von der Küstenstraße rechts abbiegen und die Cipressa (240 Meter hoch/20 Kilometer vor dem Ziel) und den Poggio (162/6) überwinden. Degenkolb nennt sie die «Puncherberge».
Das seit 1907 gefahrene Rennen ist ein gutes Pflaster für deutsche Profis, die insgesamt sechs Siege holten. Neben Zabel und Ciolek konnte sich 1967 auch Rudi Altig in die Siegerliste eintragen. In der 60er und 70er Jahren gewann Rekordhalter Eddy Merckx sieben von zehn Rennen.