Cauterets (dpa) - Am Abend des 18. Juli 1995 läuteten in Fabio Casartellis Heimatort Albese die Totenglocken. Bei einer Abfahrt vom Portet d'Aspet in den Pyrenäen war der Olympiasieger von Barcelona bei der Tour de France am selben Tag tödlich verunglückt.
Er war mit Tempo 80 mit dem Kopf an eine Steinmauer geprallt - Helmpflicht bestand damals noch nicht.
Tourarzt Gérard Porte hatte den in einer Blutlache liegenden, bewusstlosen Italiener vor Ort zwar wiederbeleben können. Aber drei Stunden später im Krankenhaus von Tarbes erlag der Teamkollege von Lance Armstrong seinen schweren Kopfverletzungen. Auch der deutsche Radprofi Dirk Baldinger war in den Sturz verwickelt, er kam aber mit einem gebrochenen Hüftknochen davon.
Nun passiert der Tross der 102. Frankreich-Rundfahrt auf der 12. Etappe den Unglücksort an der Westrampe des 1069 Meter hohen Berges, an dem inzwischen ein weißes Denkmal steht. Der damals 24-Jährige hinterließ eine Frau und seinen kleinen Sohn Marco.
Nach dem tragischen Unfall vor 20 Jahren stand die Tour unter Schock. Casartelli war nach seinem Landsmann Adolpho Hilieri (1910), dem Spanier Francisco Cepeda (1935) und dem Briten Tom Simpson (1967), der vollgepumpt mit einem Cocktail aus Alkohol und Aufputschmitteln beim Anstieg auf den Mont Ventoux starb, der vierte Tote aus dem Fahrerfeld in der Tourgeschichte.
Am Tag nach Casartellis Tod hielt die Tour für einen Augenblick inne im gnadenlosen Sekundenkampf und ließ Armstrongs US-Mannschaft Motorola geschlossen ins Ziel rollen. Zwei Etappen später startete der damals als Eintages-Spezialist geführte Armstrong einen Ausreißversuch und landete einen spektakulären Solosieg in Limoges.
Als er die Ziellinie überquerte, streckte Armstrong zu Ehren seines Teamkollegen beide Arme mit gestreckten Zeigefingern Richtung Himmel. Eine Geste, die vielen noch in Erinnerung ist.