Berlin (dpa) - Lance Armstrong hat den Krebs besiegt, im Anschluss sieben Mal die Tour de France gewonnen - und sich nach 13 Jahren des Leugnens zur Wahrheit durchgerungen. Der 41-jährige Texaner bleibt in seinem Selbstverständnis der große Kämpfer, der immer wieder aufsteht.
Armstrong hasst Verlieren. Jahrelang bezwang der Amerikaner seine Rivalen auf der Straße, wurde zum Rekordmann bei der Tour, zum Popstar, zum Symbol des Athleten, der nie aufgibt. Das Märchen Armstrong, das mit einer niederschmetternden Krebsdiagnose begann und sein scheinbares Happy End mit dem siebten Tour-Gewinn 2005 fand, wirkte perfekt. Dann aber wurden Dopingvorwürfe immer lauter und konkreter - und nun ist die Lebenslüge Armstrongs endgültig entlarvt.
Lance Armstrong wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Zwei Jahre nach seiner Geburt verließ der Vater die Familie. Seine Mutter heiratete Terry Armstrong - der Stiefvater behandelte Lance wenig liebevoll, Schläge waren an der Tagesordnung. Als 13-Jähriger trat Lance Edward Armstrong zum ersten Mal als Triathlet in Erscheinung. Sein erstes Radrennen bestritt er als 16-Jähriger, 1991 wird er US-Straßenmeister, bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona fährt er auf Rang 14. Nach seinem Profidebüt wird er 1993 in Oslo mit 21 Jahren jüngster Weltmeister der Historie. Die Rekordjagd beginnt.
1995 holt er bei der Tour de France seinen ersten Etappensieg. Mit hochgereckten Armen, die in den Himmel zeigen, widmet er ihn seinem drei Tage zuvor tödlich verunglückten Team-Kollegen Fabio Casartelli.
Im Oktober 1996 wird Hodenkrebs diagnostiziert, Metastasen sind im Gehirn und in der Lunge. Armstrongs Überlebenschancen sind gering. Vom Krankenbett kämpft er sich wieder auf den Sattel. Nach 518 Tagen feiert er mit dem ersten Tour-Sieg 1999 ein sensationelles Comeback. Allerdings verfolgen ihn seit dem Triumph Doping-Verdächtigungen, denen er sofort vehement - und die kommenden 13 Jahre immer wieder - entgegentritt.
Armstrong scheut keinen Prozess, droht jedem Rivalen mit Konsequenzen, nicht nur juristischen. Der Tour-Sieg im Jahr nach dem großen Festina-Skandal ist der Beginn seiner Rekordfahrt durch Frankreich. Nach dem siebten Erfolg in Serie tritt er 2005 ab.
Das böse Erwachen folgt einige Tage später, als die «L'Équipe» das positive Doping-Ergebnis nachträglich geöffneter Armstrong-Proben von 1999 veröffentlicht: Sechsmal wird ihm EPO nachgewiesen, Sanktionen bleiben wegen sportjuristischer Vorbehalte aus.
Ruhe ist Gift für den Texaner. 2009 startet er ein Comeback und wird Tour-Dritter. 2010 versucht er es noch einmal, wird aber von Sturzpech verfolgt und landet nur auf Rang 23. Anfang 2011 zieht er sich vom Radsport erneut zurück. Ab Oktober stürzt er sich als 40-Jähriger in eine Triathlon-Karriere, die von den Ermittlungen der US-Anti-Doping-Agentur USADA gestoppt wird.
Im August 2012 sperrt die USADA Armstrong wegen Dopings lebenslang und kassiert seine sieben Tour-Titel. Der Weltverband UCI segnet die Strafen nach anfänglichem Widerstand ab und erklärte ihren einstmals liebsten Sohn zur persona non grata. Das Denkmal ist krachend vom Sockel gestürzt. Armstrong leugnet dennoch weiter, erkennt die Strafe aber an, weil er keinen Widerspruch einleitet. Der Multimillionär verliert den Großteil seiner Sponsoren, den Vorsitz der von ihm ins Leben gerufenen Krebsstiftung «Livestrong» und sieht sich mit zahlreichen Schadenersatzklagen konfrontiert.
Der fünffache Vater will das Steuer noch einmal herumwerfen und sein ramponiertes Image aufpolieren: In der Talkshow von Oprah Winfrey gibt er nach Medienberichten Doping zu und kündigt Aussagen gegen die UCI an, die im Verdacht steht, mit ihm kooperiert zu haben. Armstrong könnte den Radsport erneut erheblich durcheinanderwirbeln.