Berlin (dpa) - Der Radsport-Weltverband UCI lässt Lance Armstrong fallen. Sein Präsident Pat McQuaid, seit Jahren glühender Verehrer des Texaners, will die Strafen der US-Anti-Doping-Agentur USADA gegen den siebenfachen Tour-Sieger offensichtlich übernehmen.
Der Verband, durch die Affäre selbst schwer angeschlagen, würde gegen die drakonischen Sanktionen nur Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS einlegen, falls die USADA-Entscheidung dazu «ernsthaften Anlass» geben sollte.
Das hatte McQuaid, der am Wochenende mit der Idee einer bevorstehenden Amnestie für Doping-Geständige überraschte, der Nachrichtenagentur Reuters erklärt. Nach dem noch ausstehenden Erhalt der umfangreichen USADA-Unterlagen rechnet der Ire mit der Beratung über den Fall Armstrong im UCI-Präsidium während der WM in Limburg vom 16. bis 23. September.
Einen weiteren Nackenschlag musste der einst unbezwingbare Armstrong mit dem Startverbot für den Chicago-Marathon am 7. Oktober einstecken. Die durch die USADA ausgesprochene lebenslange Sperre gelte auch für den US-Leichtathletikverband, hieß es in einer Erklärung der Veranstalter. Alles sieht danach aus, dass die UCI auch die Aberkennung der Toursiege von 1999 bis 2005 durchwinken wird. Damit wäre die Siegerliste des bedeutendsten Radrennens der Welt von 1996 (geständiger Doper Bjarne Riis) bis 2010 (Contador-Sieg wegen Dopings aberkannt) nur noch ein Torso. Die Tour de France steht im Kampf um die eigene Reputation wie die UCI mit dem Rücken zur Wand.
Derweil versucht der in die Enge getriebene Weltverband in die Offensive zu gehen und schlug eine Amnestie vor. Die USADA wirft der UCI jedoch Manipulationen von positiven Armstrong-Doping-Proben vor. Ein grundlegendes Umdenken und Umlenken forderte das ehemalige Mitglied im UCI-Management-Komitee, Sylvia Schenk - allerdings nicht unter der Federführung McQuaids.
«Neue Personen in der Führung» seien vonnöten. «Bei McQuaid sind grundsätzliche Zweifel angebracht, ob er der Sportart durch eine radikale Umkehr wieder zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen kann - wegen seiner jahrelangen Verbindungen und seines eigenen Verhaltens», sagte die frühere Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) und in dieser Funktion Vorgängerin von Rudolf Scharping.
«Die Vorfälle um Armstrong - das ist der absolute Offenbarungseid des Radsports, dessen wichtigster Player die Tour ist. Der Druck zu einer grundlegenden Änderung der Standards muss von außen kommen. Die Politik, die EU oder das Europäische Parlament und die Sponsoren müssen den Anstoß geben und es gibt Anzeichen dafür», sagte die Sportbeauftragte im Vorstand von Transparency International der Nachrichtenagentur dpa.
Die USADA hatte den Seriensieger lebenslang gesperrt und ihm alle Erfolge seit 1998 aberkannt. Nach USADA-Ansicht ist Armstrong schuldig, systematisch gedopt und Doping-Produkte verkauft zu haben, was der Texaner weiter bestreitet. Allerdings hatte der 40-Jährige seine Strafe durch die USADA hingenommen und nach der Urteilsverkündung im Vormonat erklärt, nicht weiter gegen die Vorwürfe kämpfen zu wollen.
Armstrongs ehemaliger Teamkollege und geständige Dopingsünder Tyler Hamilton hatte in seinem am vergangenen Mittwoch in den USA erschienenen Buch «The Secret Race» bisher öffentlich geäußerte Anschuldigungen gegen seinen früheren Team-Kapitän erhärtet und erweitert. «Es gibt nichts Neues», meinte McQuaid zu dem Buch.
Hamilton schrieb auch von einem angeblichen Freundschaftsdienst des ehemaligen UCI-Chefs und McQuaid-Vorgängers Hein Verbruggen. Der Niederländer soll 2001 mitgeholfen haben, einen positiven Doping-Befund des US-Profis von der Tour de Suisse unter den Teppich zu kehren. Danach flossen 125 000 Dollar von Armstrong an die UCI. «Es sind niemals positive Proben verschwunden. Das garantiere ich», hatte McQuaid dazu bei den Olympischen Spielen in London erklärt.