Le Mans (dpa) - Kleine Mitternachtssnacks, tote Haustiere und der Hintern des Teamkollegen, kompakt verpackt in maximal 140 Zeichen und kleinen Fotos: Die Tour de France ist im Twitter-Fieber.
Dutzende Radprofis haben sich dem Kurznachrichtendienst verschrieben und berichten von Eindrücken aus dem Rennen, Meinungen zu aktuellen Themen sowie Alltags-Anekdoten und Banalitäten. «Schokoladen-Brei zum Frühstück für die längste Etappe der Tour. Gut für die Moral», twitterte jüngst Marcus Burghardt und bedankte sich artig beim BMC-Teamkoch.
Ungekrönter König nicht nur in Massensprints, sondern auch beim Griff zum Handy ist Mark Cavendish. Twitter ist des Briten liebstes Spielzeug, an manchen Tagen stehen beim HTC-Highroad-Fahrer mehr Kurz-Einträge zu Buche als Punkte auf der Etappe. Cavendish twittert über alles, über Renn-Ambitionen («Die heutige Taktik: Gewinnen!»), Pläne zur Abendgestaltung («Mist, habe im TV ein Interview mit mir gesehen. Muss mich vor dem Schlafengehen rasieren») oder Gemütszustände («Meine Ex-Freundin rief mich am Morgen an. Unser Hund musste eingeschläfert werden. Ich bin traurig»).
Der als Egoist und «Bad Boy» verschriene Sprinter von der Isle of Man wird online zum Missionar - wenn auch bislang erfolglos. «Ich versuche, Twitter meinen Teamchefs zu erklären», verkündete Cavendish. Aber: «Brian Holm meint, das ist eine Art von Spiel & Rolf Aldag hält es für einen Chatroom. Frustrierend».
Auch beim Versuch, der weiblichen Tour-Anhängerschaft ein Foto des Hinterteils seines Teamkollegen Bernhard Eisel nach dessen Sturz zu präsentieren, schlug fehl. «Er will uns seine Backe nicht zeigen», teilte Cavendish mit - übermittelte aber immerhin ein Foto des Österreichers im Mannschaftsbus. Tour-Favorit Alberto Contador schickte ein Bild seines bei einem Sturz zerfledderten Trikots.
Auch beim Team Leopard grassiert die Twitter-Manie, nur die Deutschen Linus Gerdemann und Jens Voigt sträuben sich noch. Twitter ist sicher eine gute Sache, weil man sich mit seinen eigenen Worten der Welt mitteilen kann», meinte Voigt. «Allerdings sind die Kommentare dann hundert Milliarden Jahre im Internet verfügbar, und zwar überall, nicht nur irgendwo in China.» Seine Teamkollegen versuchten zwar, ihn zu überzeugen, aber: «Wenn alle aus dem Fenster springen, muss ich das doch nicht auch machen.»
Fahrer wie Contador und Cadel Evans nutzen Twitter in erster Linie, um sich sportlich zu äußern, Levi Leipheimer bewirbt mitunter auch die Bekleidungskollektion seiner Frau. Oft ist der nachrichtliche Mehrwert eines Kommentars eher gering. «Noch ein kleiner Mitternachtsnack (Keks) vor dem Schlafen. Das hab ich mir verdient», twitterte Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara.
Der Kurznachrichtendienst gehört bei der Tour zum guten Ton - vor Jahren hatte Twitter-«Pionier» Lance Armstrong noch für verwunderte Blicke bei Kollegen und Journalisten gesorgt. Der Rekordsieger griff zeitweise für Reaktionen sogar ausschließlich auf Twitter zurück.
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