Montpellier (dpa) - Lance Armstrong hat sein 84. Gelbes Trikot in einem atemraubenden Finish nur um einen Wimpernschlag verpasst.
Auch der Sieg seiner Astana-Mannschaft beim 39 Kilometer langen Team-Zeitfahren in Montpellier in 46:29 Minuten reichte dem prominenten Rückkehrer nicht, um seinen angestammten Platz an der Spitze der Tour de France einzunehmen. Zwei Zehntelsekunden fehlten am Ende, um Fabian Cancellara das Gelbe Trikot zu entreißen. «Ich bin nicht enttäuscht. Wir haben unser Bestes gegeben. Vielleicht gibt es eins für mich in der Zukunft», sagte Armstrong bei der Sieger-Pressekonferenz. Für den nächsten Tag kündigte er keinen Angriff auf das Maillot Jaune an: «Ich glaube nicht, dass das Trikot morgen wechseln wird.»
Bei der letzten Zwischenwertung 12 Kilometer vor dem Ziel war Armstrong noch virtueller Träger des Gelben Trikots. Dann schmolz der Vorsprung aber wieder und Cancellara verhinderte den Prestige-Erfolg des Texaners nach vier Jahren Tour-Pause. Die neun Astana-Fahrer, von denen im Gesamtklassement vier unter den ersten Fünf (Andreas Klöden auf Rang vier) rangieren, hatten bei der ersten Zwischenwertung nach zwölf Kilometern überraschend hinter der am Ende zweitplatzierten US-Equipe Garmin (46:47) nur die zweitbeste Zeit. Columbia lag nur auf Rang fünf, Saxo-Bank auf dem dritten Platz.
Dann drehten Armstrong und Co. auf, aber am Schluss fehlte das entscheidende Quäntchen. «Mental ist er so stark wie er immer war. Ob er auch körperlich noch so fit ist, wird man in den Bergen sehen», sagte Columbia-Teamchef Rolf Aldag. Die großen Verlierer in der Endabrechnung waren die als Mitfavoriten in Monaco gestarteten Denis Mentschow (+3:52 Minuten im Gesamtklassement), Cadel Evans (+2:59) und Vorjahressieger Carlos Sastre (+2:44).
Der 24-jährige Tony Martin verteidigte ohne Mühe sein am Vortag errungenes Weißes Trikot des besten Nachwuchsfahrers. Seine Columbia- HTC-Mannschaft, beim Giro d'Italia auf dem Lido von Venedig im Kampf gegen die Uhr noch unschlagbar, fuhr 59 Sekunden hinter Astana auf den vierten Platz. Der einzige deutsche Tour-Teilnehmer Milram verlor 2:48 Minuten, so dass Team-Kapitän Linus Gerdemann vom siebten auf den 45. Platz im Gesamtklassement zurückfiel. Er war stinksauer auf Team-Kollegen, die zu risikoreich fuhren, und auf die Veranstalter, die eine «solche Kamikaze-Strecke» angeboten hätten.
«Einige bei uns hatten ihre Emotionen nicht im Griff. Das hat uns alles mindestens eine Minute gekostet», sagte Gerdemann nach den Stürzen von vier seiner Kollegen. Als einer der ersten fiel der deutsche Ex-Meister Fabian Wegmann zurück, der seinen enormen Anstrengungen vom Vortag, als er Gerdemann in der Spitzengruppe Windschatten gab, Tribut zollen musste.
Der Parcours mit einer kleinen Steigung war technisch sehr schwierig, führte teilweise über enge und winklige Straßen und war sehr windanfällig. Die schwierigen Bedingungen provozierten zahlreiche Stürze. Die prominentesten Opfer waren Giro-Gewinner Mentschow (Russland/Rabobank) und Weltmeister Alessandro Ballan (Italien/Lampre).
Der große Tour-Favorit Alberto Contador musste derweil noch die Attacke seines Team-Kollegen Armstrong vom Vortag verdauen. «Ich kommentiere nicht unsere Team-Taktik - machen sie sich selbst ein Bild davon», hatte der Spanier erklärt, nachdem er durch den überraschenden Vorstoß von Columbia-HTC, unterstützt von Armstrong und zwei weiteren Astana-Fahrern, im Ziel der 3. Etappe in La Grande- Motte 41 Sekunden verloren hatte. Seine Antwort auf die etwas unübliche Revolte («Armstrong: «Das war kein Hinterhalt») könnte in den Pyrenäen kommen.
Die Teamleitung verkaufte die Aktion als gelungene taktische Maßnahme, die alle Mitfavoriten mit Zeit belastete, außer Armstrong. Contador sei weiter komfortabel im Rennen und «selbstverständlich weiter unser Leader», wie Teamchef Alain Gallopin eiligst erklärte.