Kopenhagen (dpa) - Mit einer famosen Gold-Fahrt hat Tony Martin bei der WM in Dänemark den größten Erfolg seiner Karriere gefeiert. Der 26-Jährige ließ der Konkurrenz keine Chance. Damit erreicht Martins brillantes Zeitfahr-Jahr einen überragenden Höhepunkt.
Unter dem Jubel von Tausenden Fans konnte sich Martin vor dem Kopenhagener Rathaus das Regenbogen-Trikot überstreifen. Ergriffen lauschte der Radprofi der Nationalhymne, die Goldmedaille um den Hals - Martin hatte sich endgültig zum besten Zeitfahrer der Welt gekrönt. «Heute lief alles perfekt. Ich wusste, das ist mein Rennen und mein Tag», erklärte der 26-Jährige, nachdem er die Konkurrenz in der dänischen Hauptstadt förmlich deklassiert hatte.
Weder der zweimalige Bahn-Olympiasieger Bradley Wiggins als Zweiter noch der langjährige Zeitfahr-Dominator Fabian Cancellara hatten gegen den wie entfesselt fahrenden Martin auch nur den Hauch einer Chance. Abstände von 1:15,38 Minuten auf Wiggins und gar 1:20,59 Minuten auf Cancellara sind ein Klassenunterschied. Wenn ihm das jemand vor dem Start erzählt hätte - «ich hätte gesagt, das ist unmöglich», unterstrich Martin. Sein Zimmerkollege Bert Grabsch fuhr als Viertplatzierter knapp an den Medaillenrängen vorbei.
Vor allem der Erfolg über Cancellara, an den Martin bei seinen WM-Bronze-Fahrten 2009 und 2010 nicht herangekommen war, dürfte besondere Genugtuung für den gebürtigen Cottbuser sein. Nach dem 46,4 Kilometer langen Rennen konnte sich Martin einen nicht böse gemeinten Seitenhieb in Richtung des Schweizers nicht verkneifen: «Der dritte Platz ist auch toll - ich weiß, wovon ich spreche.»
Der auf der Schweizer Seite des Bodensees wohnende Martin war als Vorletzter, eineinhalb Minuten vor Cancellara, ins Rennen gegangen. Im Gegensatz zum Vortag, als die Straßen bei der Triumphfahrt von Judith Arndt klitschnass waren, hatten die Männer gute Bedingungen - und der Deutsche war von Beginn an eine Klasse für sich. «Ich hatte perfekte Beine, war schnell und habe sofort meine Position gefunden», erklärte Martin, der sogar den zweimaligen Weltmeister David Millar überholte. «Es war einfach perfekt», resümierte der neue Champion.
Nach seinem missglückten Versuch, bei der Tour de France in der Gesamtwertung unter die ersten Zehn zu fahren, hatte sich Martin im Sommer wieder an seine Paradedisziplin erinnert und machte keine Kompromisse. Im Vorfeld der Wettkämpfe hatte er sich selbst als Top-Favorit bezeichnet - zurecht. «Das war heute ein anderes Level», zollte auch Silbermedaillengewinner Wiggins dem Sieger Respekt.
Martin war im Gegensatz zu Arndt am Vortag mit Funkunterstützung unterwegs. «Ich wusste immer, wie weit vorne ich war», sagte er. «Schon drei, vier Kilometer vor dem Ziel war mir klar, dass ich gewinnen werde. Ich bin nie müde geworden, konnte immer weiter Druck machen.» Mit seinem Sieg ist Martin nach Jan Ullrich (1999, 2001) und Bert Grabsch (2008) der dritte deutsche Zeitfahr-Weltmeister.
Martins Noch-Teamchef Rolf Aldag wollte den Erfolg gar nicht hoch genug einschätzen - vor allem in Bezug auf Martins künftige Ziele. «So ein Weltmeistertitel schiebt natürlich», betonte Aldag, der sich selbst über die kühnen Worte seines Schützlings im Vorfeld gewundert hatte. «So offensiv hatte ich ihn noch nie erlebt.»
Mit einem derartigen Erfolg in der Tasche ändere sich auch die Wahrnehmung der Öffentlichkeit auf den Sportler komplett: «Da erinnert man sich an einen anderen Tony Martin», meinte Aldag.