Berlin (dpa) - Die Kritik an Lance Armstrong ist auch nach seinem medial inszenierten Doping-Geständnis groß. Den reumütigen Sünder nehmen ihm nur wenige ab. Der allgemeine Tenor lautet: Eine umfassende Aufklärung habe nicht stattgefunden.
Immerhin sieht Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), einen «ersten, bescheidenen Schritt in die richtige Richtung». Bach richtete aber auch Forderungen an den einstigen Superstar: «Wenn er den Radsport so liebt, wie er sagt, und wenn es ihm darum geht, seine Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, dann muss er bereit sein, gegenüber der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA oder der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA unter Eid auszusagen», sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Bach spricht Armstrong dessen Aufklärungswillen ab. «Er hätte etwas über die Hintermänner sagen müssen, über das Verhalten der Rennställe. Das war nicht ausreichend», monierte der DOSB-Präsident. Auch das Internationale Olympische Komitee IOC erwartet von Armstrong, «jetzt alle Beweise den Anti-Doping-Gremien vorzulegen, so dass wir diese dunkle Episode hinter uns bringen können und vorankommen - stärker und sauberer», erklärte IOC-Sprecher Andrew Mitchell.
John Fahey, der Chef Welt-Anti-Doping-Agentur WADA ärgerte sich über die Aussage des Ex-Profis, er habe durch den jahrelangen Dopingkonsum lediglich faire Voraussetzungen schaffen wollen. Dieser Kommentar sei «ein bequemer Weg zu rechtfertigen, was er getan hat - nämlich betrügen», sagte Fahey der Nachrichtenagentur AP. Enttäuschend fand es Fahey, dass der Texaner keine Namen von Funktionären oder Hintermännern genannt habe: «Falls er auf Erlösung aus war, war er nicht erfolgreich.»
Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) machte «viel heiße Luft» bei Armstrongs Auftritt im Interview mit dem US-Talkstar Oprah Winfrey aus. Zur Erhellung habe er nichts beigetragen, schrieb der BDR in einer Stellungnahme. Der Radsport-Weltverband UCI begrüßte hingegen die Erklärungen des dopinggeständigen Armstrong.
«Armstrongs Entscheidung, sich der Vergangenheit zu stellen, ist ein wichtiger Schritt auf dem langen Weg zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Sport», erklärte der selbst heftig umstrittene und mehrfach zum Rücktritt aufgeforderte UCI-Chef Pat McQuaid. Wie McQuaid fühlt sich auch sein Vorgänger Hein Verbruggen durch Armstrongs Aussagen entlastet, die UCI habe kein Geld für die Vertuschung eines positiven EPO-Tests bei der Tour de Suisse 2001 erhalten. «Ich bin froh, dass sich die Verschwörungstheorien nach den jahrelangen Vorwürfen gegen mich als haltlos erwiesen haben», teilte Verbruggen mit.
Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur USADA, der durch seine hartnäckigen Recherchen Armstrong zu Fall gebracht hatte, freute sich über einen «kleinen Schritt in die richtige Richtung. Er hat endlich zugegeben, dass seine Radsport-Karriere aus einer kraftvollen Kombination aus Doping und Betrug bestand».
Tour-de-France-Chef Christian Prudhomme ist Armstrongs Geständnis aber nicht genug. «Wir müssen mehr darüber erfahren, wie er dopen konnte und vor allem über den Einfluss seines Umfelds», sagte der Franzose der Nachrichtenagentur Reuters. «Um diese Art von Affären zu vermeiden, müssen wir jetzt mehr wissen, um das System zerlegen zu können, über das die USADA in ihrem vernichtenden Report berichtet», forderte Prudhomme.
Sylvia Schenk, die ehemalige BDR-Präsidentin und derzeitiges Vorstandsmitglied von Transparency International reicht dies allerdings nicht aus. Sie besteht auf einen Neuanfang im internationalen Radsport. Es muss eine grundlegende Reform, vor allem einen Wandel dieser Kultur geben. So lange dort nicht grundlegend aufgeräumt wird, andere Strukturen eingezogen werden, wird der Radsport nicht zu retten sein», sagte sie dem Radiosender «hr-iNFO».
Auch ehemalige Konkurrenten zeigten sich wenig beeindruckt von Armstrongs Geständnis. Für den Ex-Radprofi und Doping-Kronzeugen Jörg Jaksche habe Armstrong «keine Reue gezeigt». «Das war die Pflichtaufgabe, um sein Image aufzupolieren», sagte Jaksche.
Die deutschen Radprofis Jens Voigt und Marcel Kittel haben Armstrongs Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen, erwartet. Nach den Anklagen der US-Anti-Doping-Agentur USADA sei «klar gewesen, in welche Richtung das Gespräch gehen würde», sagte Voigt. Für Kittel sei Armstrong nichts weiter übrig geblieben, als seine Dopingpraktiken zu gestehen. «Ich hoffe jetzt nur, dass er sich nicht nur bei Oprah Winfrey geäußert hat, sondern sein Wissen auch wichtigen Institutionen wie der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA oder der amerikanischen USADA preisgibt», fuhr Kittel fort.
Armstrong hatte in einem am Freitag ausgestrahlten Fernseh-Interview bei Oprah Winfrey zugegeben, sich von Mitte der 90er Jahre bis 2005 unter anderem mit EPO, Eigenblut, Kortison und Wachstumshormonen gedopt zu haben.