Bremen (dpa) - Vier Etappensiege und das Gelbe Trikot für Linus Gerdemann: Die deutschen Columbia-Fahrer haben die D-Tour dominiert wie noch nie ein Team zuvor.
Mit dem abschließenden Zeitfahrcoup des Cottbusers Tony Martin und dem ungefährdeten Start-Ziel-Sieg von Hoffnungsträger Gerdemann linderte die US-Equipe zugleich die Wunden des krisengeplagten Profi-Radsports im Gastgeberland. Der 25-jährige Gerdemann nahm am Samstag in Bremen jedenfalls schon einmal selbstbewusst die Rolle der neuen Leitfigur an. «Ich denke, man muss sich für Erfolg im Radsport nicht schämen», sagte der Münsteraner, der sich in Zeiten des Doping-Generalverdachts von seinem Gesamtsieg «Rückenwind» für alle Beteiligten erhofft.
Den Grundstein für sein fantastisches Comeback hatte Gerdemann bereits auf der Königsetappe gelegt, als er in den Tiroler Alpen die Konkurrenten im Anstieg hinauf nach Hochfügen stehen ließ. «Von der ersten Etappe bis zur letzten das Ding in Gelb abzuschließen, ist ein Traum», meinte der vehement von Milram umworbene Gerdemann. Der Nachfolger von Jens Voigt verwies in der Endabrechnung seinen schwedischen Team-Kollegen Thomas Lövkvist, der als Gewinner der Punkte- und Nachwuchswertung das herausragende Columbia-Ergebnis komplettierte, um 52 Sekunden auf den zweiten Rang.
In seiner Rolle als neuer «Außenminister» des deutschen Profi-Radsports versicherte Gerdemann in einer leidenschaftlichen Rede, sein «Saisonziel» sauber erreicht zu haben: «Von mir aus können auch Proben 50 Jahren eingefroren werden, dann sollen sie die in 50 Jahren aufmachen: Ich habe nichts zu verbergen», sagte der Wahl-Schweizer aus Kreuzlingen, der Ende März bei Tirreno-Adriatico schwer gestürzt war und sich einen Beinbruch und einen Kreuzbandanriss zugezogen hatte.
Wenige Tage nach dem angekündigten Rückzug des Aushängeschilds Gerolsteiner kamen die werbewirksamen Erfolge der Gastgeber zur rechten Zeit. Die Generation um Gerdemann sowie um die weiteren Columbia-Etappensieger Martin, André Greipel und Gerald Ciolek, «Sympathieträger und Leistungsträger gleichermaßen», sende ein «gutes Signal» aus, stellte Verbands-Präsident Rudolf Scharping zufrieden fest: «Der Radsport verfügt offenbar immer noch über ein sehr großes Potenzial erfolgversprechender, junger Fahrer.»
Während der T-Mobile-Nachfolger Columbia Erfolg an Erfolg reihte, enttäuschte das bei der Tour de France so starke Gerolsteiner-Team. «Man hat gemerkt, dass es für die Fahrer schwierig ist, unter diesen Umständen die volle Leistung abzuliefern», warb Sportdirektor Christian Henn angesichts der schwierigen Jobsuche einiger Profis um Verständnis. Auch der Berliner Voigt, der den Titel-Hattrick anvisiert hatte, blieb hinter den Erwartungen zurück. «Natürlich ist es doof, mit der Nummer eins auf dem Rücken hinterherzufahren», gab der 36-Jährige zu, der Gerdemann schon in Tirol zum «König» ausgerufen hatte und in Bremen erneut adelte: «Wenn er das durchzieht, muss einem um den deutschen Radsport nicht bange sein.»
Auch die Macher der Deutschland-Tour schöpften aus Gerdemanns tagelanger Dominanz in Gelb Zuversicht für eine «neue Ära». Trotz enttäuschender TV-Quoten von nur sieben bis acht Prozent setzt Renn-Direktor Kai Rapp darauf, dass die überlebensnotwendige Live-Berichterstattung auch im kommenden Jahr sichergestellt wird: «Ich bin zuversichtlich, dass die ARD ihre Entscheidung nicht allein an der Quote ausrichten wird», meinte Rapp nach der «skandalfreien Tour».
Er habe bereits etliche Städte-Bewerbungen für 2009, aus denen er «eine sehr gute Tour stricken» könnte. Doch zunächst muss er bangen Blickes nach Brüssel schauen, wo die ARD-Intendanten über den neuen Vertrag mit der Tour de France beraten - und damit eventuell auch die Weichen für die D-Tour stellen. Rapp: «Das hat Signalwirkung für uns.»