Chamrousse (dpa) - Immerhin auf Jens Voigt war noch Verlass. Mit seiner Fahrt ins Bergtrikot zum Auftakt der 101. Tour de France in England hatte der Senior im Peloton seinem Trek-Team wenigstens einen Besuch bei den Zeremonien auf dem großen Podium der Rundfahrt beschert.
Es ist fast schon bezeichnend, dass ein fast 43-Jähriger zu den Lichtblicken seiner ansonsten eher farblosen Mannschaft gehört. Denn vor der einstigen «Monster-Mannschaft», dem «FC Barcelona des Radsports» fürchtet sich längst keiner mehr.
«Ich kann nicht glücklich sein, wenn der Erfolg ausbleibt», sagt Teamchef Luca Guercilena. Der Italiener hatte vor über einem Jahr die Nachfolge des umstrittenen Johan Bruyneel angetreten, der nach all den Doping-Enthüllungen zusammen mit seinem langjährigen Schützling Lance Armstrong aus dem Radsport entfernt worden war. Einen Scherbenhaufen hatte Bruyneel hinterlassen und irgendwie ist Guercilena immer noch mit den Aufräumarbeiten beschäftigt.
Bei der Tour gehört das Trek Factory Racing Team zu den großen Enttäuschungen. Andy Schleck ist mit einer schweren Knieverletzung bereits nach drei Tagen ausgestiegen, seine Form hätte aber auch so kaum höheren Ansprüchen genügt. Ähnlich wie sein älterer Bruder Fränk, der schon über zehn Minuten Rückstand aufweist. Und der viermalige Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara hat den ersten Ruhetag gleich zum Abschied in die Heimat genutzt, nachdem er eh nur widerwillig auf Drängen der Teamleitung gestartet war. Der Rest der Mannschaft ist irgendwo dabei, aber längst nicht mittendrin.
Dabei war das ehrgeizige Projekt einst angestoßen worden, um im Radsport neue Maßstäbe zu setzen. 2011 hatte der Luxemburger Unternehmer Flavio Becca das Team Leopard ins Leben gerufen. Die pompöse Präsentation war eine große Show vor über 5000 Zuschauern. Im Mittelpunkt standen die Schleck-Brüder, die dem Großherzogtum wieder einen Toursieg bescheren sollten. Die Vorzeichen standen gut: Alberto Contador war gerade des Dopings überführt worden, dessen Gesamtsieg 2010 fiel später Schleck am Grünen Tisch in die Hände. Nun sollte der Sieg auf sportlichem Wege folgen.
Doch es wurde «nur» Platz zwei und drei für das introvertierte Brüderpaar hinter dem Australier Cadel Evans. «Wir hätten nur mehr Zeit gebraucht. Wir waren doch auf einem guten Weg», erinnert sich Voigt. Die Unzufriedenheit über die damalige Entwicklung ist rauszuhören. Doch Becca wollte mehr und forcierte die Super-Fusion mit Bruyneels RadioShack-Rennstall. Es gab wieder eine große Show in Luxemburg und die Ziele wurden noch ehrgeiziger formuliert. «Dieses Team kann bei jedem Rennen der Welt um den Sieg mitfahren», hatte der inzwischen gesperrte Bruyneel damals mit Blick auf den Zusammenschluss der Topfahrer behauptet.
Dass die besten Fahrer nicht das beste Team ausmachten, wurde schnell klar. Andy Schleck warfen immer wieder schwere Verletzungen zurück, Fränk wurde 2012 des Dopings überführt und für ein Jahr gesperrt. Dazu sorgten neben dem Sturz des Teamchefs finanzielle Unregelmäßigkeiten für Unruhe. Hauptgeldgeber ist inzwischen der Rahmenhersteller Trek, die Ausrichtung amerikanisch.
Im nächsten Jahr will Guercilena eine neue Mannschaft aufbauen. Die Schlecks dürften kaum mehr eine Zukunft haben, auch wenn der Teamchef noch von «Optionen» spricht und die Leistung «okay» findet. Die niederländische Rundfahrt-Hoffnung Bauke Mollema soll verpflichtet werden, weitere Fahrer sind im Visier. Jens Voigt soll dann zusammen mit Danilo Hondo in die Teamleitung integriert werden. «Er bleibt, aber die Rollenverteilung ist noch nicht klar», sagt Guercilena. Bis dahin muss Voigt auf seiner Abschiedstour noch für ein paar Lichtblicke sorgen. Nochmal mit in eine Spitzengruppe gehen oder vielleicht sogar ein Etappensieg? «Unmöglich ist es nicht, aber vor fünf Jahren war es weniger unmöglich», scherzt Voigt.