Dubai (dpa) - Frust und Freude bei den deutschen Vorzeige-Radprofis lagen im Schatten des höchsten Gebäudes der Erde dicht beieinander.
Während Tony Martin am Fuß des 828 Meter hohen Burj Khalifa den Gesamtsieg seines Teamkollegen Mark Cavendish bei der Dubai-Tour ausgelassen feierte, machte John Degenkolb zunächst ein finsteres Gesicht. Der Ex-Weltmeister aus Großbritannien hatte ihm auf den letzten Metern den Rundfahrtsieg mit seinem zweiten Etappensieg noch weggeschnappt.
«Das ist schon eine Enttäuschung. Wir haben uns einfach nicht so richtig gefunden und ein paar gravierende Fehler gemacht», sagte Degenkolb der Deutschen Presse-Agentur. «Wir haben hier ein paar Fahrer, die neu im Team sind und in der Konstellation noch nicht miteinander gefahren sind - das macht sich auch in der Kommunikation bemerkbar», meinte der vierfache Vuelta-Etappengewinner und versuchte so, im Ziel des letzten Abschnitts seinen folgenschweren neunten Rang im Tagesklassement zu erklären.
Aber schon sehr bald hellte sich Degenkolbs Miene wieder auf. Die Freude über seine Leistung am Vortag wischte die schlechte Laune weg. Da hatte er einen Bergauf-Sprint mit maximaler Steigung von 17 Prozent gewonnen und die Spezialisten in dieser Disziplin, Alejandro Valverde und Philippe Gilbert, ziemlich alt aussehen lassen. «Ich habe die letzten Jahre gut daran gearbeitet, bergauf sprinten zu können. Das zahlt sich jetzt aus», meinte Degenkolb.
Immer stärker bildet sich im Team Giant Alpecin eine Differenzierung zwischen dem reinen Flachsprinter Marcel Kittel und Degenkolb als dem Mann für die schwereren Etappenankünfte heraus. Kittel ist seit Sonntag bei der Katar-Rundfahrt unterwegs. Degenkolb ist zurück nach Hause gereist, zu seinem inzwischen fünf Monate alten Sohn: «Ich freue mich darauf, wieder Zeit mit ihm verbringen zu können», sagte der Wahl-Frankfurter.
Einen neuen Energieschub neben den Vaterfreuden gibt dem 26-Jährigen auch die Tatsache, dass er jetzt für einen deutschen Rennstall an den Start geht. Giant Alpecin hat zwar die Infrastruktur des niederländischen Teams Giant Shimano übernommen, ließ sich aber unter deutscher Lizenz registrieren.
Der gute Saisoneinstieg lässt die Hoffnungen für die Klassiker-Saison wachsen. Bevor Degenkolb aber seinen Blick auf die großen Ziele Mailand-San Remo, die Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix richtet, stehen die Murcia-Rundfahrt und die Ruta del Sol in Spanien sowie Paris-Nizza an.
Während er bei der Fernfahrt an die französische Riviera auf Etappensiege aus ist, hat Tony Martin dort den Gesamtsieg auf dem Wunschzettel. «Ich bin sehr zufrieden, wie es hier in Dubai gelaufen ist. Die Form stimmt zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison. Aber nun wird es auch Zeit für eigene Ergebnisse», sagte er zuversichtlich.
Solch forsche Ansagen hört man von Martin eher selten. Aber er scheint im Winter nach der für ihn enttäuschend verlaufenen WM neue Spannkraft aufgebaut und auch den Mut zur Suche nach Zielen jenseits des Zeitfahrens wieder entdeckt zu haben. Dem deutschen Radsport winkt erneut eine erfolgreiche Saison.
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