Tourmalet (dpa) - Nach dem heißen Duell am Col du Tourmalet kam es auf 2115 Höhenmetern zum Gipfeltreffen der besonderen Art. Nicolas Sarkozy stand vor der Kamera des französischen Fernsehens, als nach und nach Lance Armstrong, Alberto Contador und Andy Schleck beim Staatspräsidenten eintrudelten.
Die beiden Hauptdarsteller hatten nur wenige Minuten zuvor am legendären Pyrenäen-Gipfel für ein radsportliches Feuerwerk gesorgt, an dessen Ende Schleck zwar den prestigeträchtigen Tagessieg im Ziel der 17. Etappe feiern konnte. Die Vorentscheidung im Kampf um den Gesamtsieg der 97. Tour de France dürfte aber zugunsten des Vorjahressiegers Contador gefallen sein.
Mehr als zehn Kilometer lang beharkten sich die beiden Profis im knüppelharten Anstieg des Tourmalet, Schleck versuchte vergeblich, seinen Widersacher abzuschütteln. Contador sprang einmal kurz weg, konnte den Luxemburger aber ebenfalls nicht distanzieren. Ganz oben fuhren beiden zeitgleich über die Ziellinie. Da war klar: Das Gelbe Trikot ist Contador, der in der Gesamtwertung weiter acht Sekunden Vorsprung auf Schleck hat, in diesem Jahr kaum mehr zu nehmen. Das wusste auch der Spanier, der seinen Herausforderer gönnerhaft die Wange tätschelte und zwinkerte, als wollte er sagen: Netter Versuch.
«Die Tour ist noch nicht beendet», sagte Contador wenig später dann tatsächlich, «aber das heutige Ergebnis war sehr wichtig für mich. Ich werde am Samstag gute Arbeit abliefern.» Dann steht in Bordeaux das Zeitfahren auf dem Programm, bei dem Contador als klarer Favorit im Gegensatz zu Schleck auf den 52 Kilometer langen Kurs geht. «Andy ist einen sehr schnellen Rhythmus gefahren. Ich konnte abwarten, weil es mir nicht um den Tagessieg, sondern um das Gelbe Trikot in Paris geht», erklärte der Spanier.
Der unterlegene Schleck räumte im Nebel auf dem eiskalten Pyrenäen-Gipfel ein: «Das war heute meine große Chance und ich habe alles gegeben. Ich habe ihn nicht abschütteln können. Man weiß nie, was am Samstag passieren kann, aber normalerweise... Ich hatte genug Chancen bei der Tour, einen Zeitunterschied zu Contador zu machen.»
Trotz des Rückschlags meinte Schleck: «Ich bin super zufrieden mit meinem zweiten Etappensieg». Die letzten Meter vor dem Ziel hatte Contador nicht mehr mit letztem Einsatz getreten und dem Luxemburger quasi den Tagessieg überlassen.
Zu den ersten Contador-Gratulanten gehörte Sarkozy, der zum dritten Mal Tour-Gast war. «Das war eine unglaubliche Etappe - Contador ist ein großer Champion», lautete sein Kurz-Kommentar. Das französische Fernsehen hatte kurz nach der Zieldurchfahrt zum «Gipfeltreffen» gebeten, wobei sich der Präsident als Sportreporter hervortat. «Die Spanier sind Spitze im Fußball, im Tennis, im Radsport. Was ist ihr Geheimnis?», wollte Sarkozy von Contador wissen. Der Spanier antwortete ausweichend und bedankte sich artig für das Lob.
Die beiden Duellanten auf dem Rad hatten sich 10 Kilometer unter dem Gipfel des 2115 Meter hohen Col du Tourmalet nach einer Schleck- Initiative abgesetzt. Contador verharrte im Nebel und gleißenden Scheinwerferlicht der Begleitmotorräder am Hinterrad seines Herausforderers. 3,6 Kilometer vor dem Ziel versuchte er wegzuspringen, Schleck parierte die Attacke aber und feierte seinen zweiten Etappensieg nach dem Erfolg von Avoriaz.
Zum 100. Jubiläum der ersten Pyrenäen-Überquerung der Tour de France wurden seine Hoffnungen auf den großen Coup nicht erfüllt. Der 25-jährige Schleck hätte der vierte Gesamtsieger der «Großen Schleife» aus Luxemburg werden können, der erste seit Charly Gaul im Jahr 1958.