Paris (dpa) - Bescheidenheit ist eine Zier. Davon halten die Telekom-Radler vor der unter dem Eiffelturm beginnenden Jubiläums-Tour wenig. «Das Podium ist Minimum», gab der Tour de Suisse-Gewinner Alexander Winokurow für sich selbst als etwas großspuriges Maximal-Ziel der folgenden 23 Tage aus.
«Ich bin besser in Form als bei meinem WM-Sieg im Zeitfahren im vergangenen Herbst in Zolder», sagte Santiago Botero, der den viermaligen Tour-Sieger Lance Armstrong schon im Vorjahr im ersten Zeitfahren in Lorient bezwungen hatte und in der Endabrechnung auf Rang vier landete: Der Konkurrenz- Kampf im eigenen Team ist eröffnet.
Selbst ein 13. Etappensieg und ein siebtes Grünes Trikot für den frisch gekürten deutschen Meister Erik Zabel runden den Wunschzettel des Telekom-Teams für den 100. Geburtstag der Frankreich-Rundfahrt noch nicht ab. Manager Walter Godefroot setzte in der Abgeschiedenheit des Golfhotels Domaine de Montpichet bei Paris noch eins drauf: «Auch das Bergtrikot könnte uns interessieren.» Sogar das Gelbe Trikot liegt für Zabel, der am 7. Juli seinen 33. Geburtstag feiert, bis zum Mannschaftszeitfahren in Sichtweite. Im Prolog will er versuchen, den Abstand zum Sieger deshalb «bei 20 bis 25 Sekunden zu halten». 1998 und im Vorjahr fuhr Zabel für jeweils einen Tag im Maillot Jaune.
Der offensive Telekom-Optimismus hört sich im Jahr eins nach Jan Ullrich und vor dem Hintergrund des Prestige-Dreikampfes mit den nationalen Tour-Konkurrenten Gerolsteiner und Bianchi ein bisschen wie das berühmte Pfeifen im Walde an. Der Kolumbianer Botero, geschwächt durch zwei Infektionen, ist in dieser Saison noch den Beweis schuldig geblieben, das zu erfüllen, was von ihm erwartet und wofür er bezahlt wurde. Zur Winokurow-Zuversicht merkte Telekom-Teamleiter Mario Kummer an: «Die Konkurrenz in Frankreich ist viel härter als bei der Tour de Suisse.»
Dort brillierte der Olympia-Zweite aus Kasachstan zuletzt und setzte seinen Höhenflug dieses Jahres nach dem zweiten Sieg bei Paris-Nizza und dem Weltcup-Erfolg beim Amstel Gold Race fort. Trotzdem scheinen dem mit seiner Familie in Nizza lebenden Winokurow bei der Tour Grenzen gesetzt. «Gegen die besten Kletterer verliert er im Hochgebirge ein, zwei Minuten, gegen die Zeitfahr-Elite auf zehn Kilometer eine halbe Minute», gab Godefroot zu bedenken, bemühte aber im gleichen Atemzug ein historisches Beispiel von 1966, als sich in Paris der Franzose Lucien Aimar als Überraschungssieger feiern lassen konnte: «Der war ein schlechterer Zeitfahrer und Kletterer als 'Wino'.»
Bis zum Startschuss am Samstag um 15.50 Uhr und vielleicht noch etwas länger herrscht zwischen Botero und Winokurow jedenfalls Frieden. «Wir haben noch keinen Kapitän, wir müssen sehen, wie das Rennen läuft», sagte der Kolumbianer. «Nach den Alpen werden wir sehen, wer bei uns die Kapitänsrolle ausfüllen kann», meinte Winokurow, der auf die vorherige Tour wegen Verletzung verzichten musste.