Düsseldorf (dpa) - Unter den deutschen Spitzenathleten wachsen der Unmut und der Widerstand gegen das neue Anti-Doping-Abmeldesystem ADAMS 2.0 und vor allem gegen die umstrittene Ein-Stunden-Regel. «Es ist eine dramatische Einschränkung der persönlichen Freiheit», sagte der Weltmeisterschaft-Dritte im Stabhochsprung, Danny Ecker, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Man fühlt sich wie ein Krimineller, der auf Bewährung auf freiem Fuß ist.» Der Leverkusener ist mit seiner vehementen Kritik, die er in einer Mail an den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) formulierte, nicht allein. «Ich kann mir vorstellen, dass wir uns zusammenschließen und etwas machen», sagte Ecker und schloss eine konzertierte Aktion nicht aus.
«Ich habe auf die Mail von Danny Ecker mit absolutem Verständnis reagiert. Was wir unseren Athleten zumuten, ist für sie eine ungeheure Einschränkung der Lebensqualität», sagte Herbert Czingon, Leitender Bundestrainer der technischen Disziplinen im DLV. Der Ecker-Vorstoß sei keineswegs ein Einzelfall: «Ich kenne kaum einen Athleten, der dies nicht auch so sieht.» Er habe etwas Furcht, dass da «ein Zorn aufkommt, der nicht zu bändigen» sei. «Das ist gefährlich, weil die Regel Fakt ist und in Deutschland viel Wert darauf gelegt wird, ein gutes Kontrollsystem zu haben», meinte Czingon.
Der Code der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) mit einem verschärften Kontroll- und Abmeldesystem ist seit dem 1. Januar in Kraft. Darin ist auch die Ein-Stunden-Regel enthalten. Dabei müssen die zurzeit ausgewählten rund 500 deutschen Topsportler für jeden Tag eine Stunde festlegen, während der sie für Tests zur Verfügung stehen. Außerdem sind sie verpflichtet, für ein Quartal im Voraus anzugeben, wo sie jeden Tag anzutreffen sind. «Der Zweck ist positiv, aber es wird teilweise massiv ins Privatleben eingegriffen», monierte auch Fußball-Nationalspieler Michael Ballack. Die Degenfechterin Imke Duplitzer fühlt sich als «Gefangene» und unkte im Nachrichtenmagazin «Der Spiegel»: «Was kommt als Nächstes? Legen sie uns elektronische Fesseln an?»
Dem Beispiel der 65 belgischen Sportler, die gegen das WADA- Anmeldesystem Klage eingereicht haben, weil es angeblich gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention zum Schutz der Privatsphäre verstößt, wollen die deutschen Athleten jedoch nicht folgen. «Man möchte ja nicht, dass das ganze Doping-Kontrollsystem infrage gestellt wird», betonte Höhenjäger Ecker. DLV-Coach Czingon ist eher bange, dass die Belgier den Rechtstreit gewinnen: «Ich weiß nicht, ob ich mich über einen Erfolg der Klage freuen würde. Die ersten, die davon profitieren würden, wären die Betrüger.»
Die Chance, dass das WADA-Meldesystem juristisch gekippt wird, schätzt der Münchner Sportrechtsexperte Dirk-Reiner Martens nicht als groß ein. «Ich wäre als klägerischer Anwalt nicht so optimistisch», meinte der Richter am Internationalen Sportgerichtshof (CAS). Allerdings weiß auch er um das Konfliktpotenzial. «Es spaltet die Welt der WADA», sagte Martens. «Wir haben ein Dilemma. Der Kampf gegen Doping ist notwendig, aber es ist natürlich ein Eingriff in die persönliche Freiheit und Selbstbestimmung.»
Abgesehen vom Vorwurf der Einschränkung der Privatsphäre wird über den zu großen Aufwand und die Kompliziertheit des Anti-Doping Administration and Management System (ADAMS), mit dem die Athleten per Internet und per SMS Meldungen über ihre Aufenthaltsorte («Whereabouts») machen müssen, geklagt. «Es ist nicht zu kompliziert», erklärte Ulrike Spitz, Sprecherin der Nationalen Anti- Doping-Agentur (NADA), die an fünf Orten in Deutschland ADAMS-Schulungen angeboten hat. «Ein effektives Kontrollsystem baut auf unangemeldeten Tests auf», sagte sie. «Der Athlet hat aber auch die Freiheit, mal einen Kaffee zu trinken.» WADA-Generalsekretär David Howman meinte: «Das System ist flexibler, als manche glauben wollen.»