Bordeaux (dpa) - Als Christin Muche ihren Sensationssieg im Keirin bejubelte, war die Welt im Lager der deutschen Bahnrad-Fahrer zum WM-Abschluss wieder in Ordnung.
Mit der unerwarteten Sturmfahrt in Bordeaux zum Weltmeistertitel im Kampfsprint weckte die erst 22 Jahre alte Europameisterin aus Cottbus im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) vor allem mit Blick auf die Olympischen Spielen 2008 in Peking Hoffnungen auf eine goldene Zukunft. «Das ist ein toller Abschluss einer WM mit Höhen, aber auch einigen negativeren Ergebnissen», erklärte BDR-Sportdirektor Burckhard Bremer.
Durch den zweiten Titel nach dem Sieg von Robert Bartko (Potsdam) in der 4000-m-Einzelverfolgung und die Bronzemedaille von Stefan Nimke (Schwerin) im Sprint wiederholten die BDR-Asse die Medaillenausbeute der WM 2005. Die teils herben Enttäuschungen wie Platz fünf im Team-Sprint, der Aufgabe im Zweier-Mannschaftsfahren wegen Entkräftung und das blamable Qualifikations-Aus von Vorjahres-Weltmeister Rene Wolff (Erfurt) als Tiefpunkt wurden dadurch jedoch nicht verdrängt. «Die WM war für uns eine wichtige Standortbestimmung zur Halbzeit des Olympia-Zyklus`. Wir wissen jetzt, wo wir stehen», urteilte Bremer. «Wir haben noch Arbeit vor uns, sind aber zuversichtlich, unsere Ziele im Hinblick auf Peking 2008 zu erreichen.»
Während der Sportdirektor nüchtern analysierte, lösten sich bei Christin Muche die ganze Anspannung und Freude in einem Heulkrampf. «Das ist der absolute Wahnsinn», schluchzte die Polizeimeister-Anwärterin völlig aufgelöst. «Ich sollte ein Löwe sein, hat mein Trainer Rene Schmidt gesagt. Das war ich, und es ist einfach geil.» Entschlossen hatte die deutsche Meisterin vor der letzten Runde die Initiative ergriffen und an der Spitze des Feldes alle Angriffe abgewehrt.
Für Bremer sind Muches Coup und Platz vier in der Nationenwertung kein Anlass, die Hände in den Schoß zu legen. «Mit Muches Titel hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Der ist eine echte Überraschung. Jetzt muss man analysieren, wie diese plötzliche Leistungssteigerung von einem auf den anderen Tag zu Stande kommt», kündigte er an. Er will kritisch auswerten, warum an den drei Tagen zuvor im Kurzzeitbereich der Frauen nichts zusammen gelaufen war.
Gar erschreckend war die Verfassung des entthronten Weltmeisters Wolff. Als Letzter in der Qualifikation scheiterte er früh, konnte zudem als Elfter im Keirin sein Potenzial nicht abrufen. Anders dagegen Nimke: Der ehemalige Zeitfahr-Weltmeister hat seinen Umstieg ins Sprinter-Lager mit Bronze gekrönt. «Das ist das erste Jahr, wo ich mich komplett auf den Sprint vorbereitet habe. Und dann gleich eine Medaille, das ist Wahnsinn», freute sich der Schweriner. Ein weiterer Lichtblick war Junioren-Weltmeister Maximilian Levy (Cottbus), der bei seinem Männer-Debüt Platz sechs im Sprint belegte.
«Generell sehe ich es als richtig an, dass wir unser Konzept mit jungen Leuten durchgezogen haben. Das war der perfekte Zeitpunkt für den Umbruch», sagte Bremer. Ähnlich wie im Sprint ist die Situation im Ausdauerbereich, in dem Robert Bartko als einziger Weltklasse verkörpert. «Ich denke aber, mit dem Vierer sind wir auf einem guten Weg. Die Zeit wird besser, wenngleich mich Platz 6 nicht zufrieden stellt», erklärte der Sportdirektor. Bei den Frauen überzeugte Elke Gebhardt (Eichstätten) als Fünfte im Scratch.