Hamburg (dpa) - Die Ambitionen sind sicher groß, die Siegchancen eher gering: Für Jan Ullrich wird es eine Woche nach der Tour de France und zwei fehlgeschlagenen Kriterien bei den 10. HEW-Cyclassics in Hamburg wieder ernst.
Aber das Profil des 18. von 27 ProTour-Rennen über 250,5 Kilometer ist trotz einer kleinen «Verschärfung» durch eine Streckenänderung noch immer zu wenig anspruchsvoll und liegt Fahrern mit anderen Fähigkeiten sicher mehr.
«Natürlich hat Jan Ambitionen, aber es wird sehr schwer für ihn. Bei der Deutschland-Tour ab 15. August sind seine Siegchancen sicher höher einzuschätzen», sagte Ullrich-Betreuer Rudy Pevenage, der seinen neuen Vertrag mit T-Mobile wahrscheinlich bald unterzeichnen wird und dann auf Kompetenzerweiterung innerhalb des Teams hofft. Im gespannten Verhältnis wird sicher vieles leichter, wenn sich Manager Walter Godefroot wie vorgesehen zum Jahresende zurückzieht.
Mit seiner zum Tour-Finale auf den Champs Elysées gezeigten Leistung würde Alexander Winokurow neben Vorjahressieger Stuart O'Grady, Erik Zabel (Sieger 2001) und Alessandro Petacchi sicher zu den großen Favoriten zählen. Aber «Wino», der T-Mobile zum Saisonende verlässt und bei Liberty Seguros in Spanien zum künftigen Ullrich-Gegner bei der Tour zählen wird, zog es vor, auszuspannen. «Er fährt einen Tag vorher das Paarzeitfahren in Bühl und soll in 14 Tagen beim ProTour-Rennen in San Sebastian und bei der Deutschland-Tour wieder voll da sein», erklärte Teamchef Mario Kummer.
Nach seinen Pleiten in Graz (Abbruch wegen Unwetters) und Prag (Absage wegen angeblich ungedeckter Schecks) kommt der Tour-Dritte Ullrich immerhin mit einem Sieg zum einzigen Eintages-ProTour-Rennen in Deutschland. Am 28. Juli gewann der T-Mobile-Kapitän das Kriterium in Mayrhofen. Ein weiteres Kriterium fährt Ullrich nach Hamburg noch in Lorsch. «Danach ist Schluss mit Kriterien. Zu Hause bei sich in der Schweiz bereiten wir uns dann auf die Deutschland-Tour vor», sagte Pevenage.
Der Waseberg mit einer Länge von 600 Metern und einer Steigung von bis zu 16 Prozent muss von den 184 Profis vier Mal bezwungen werden: Das ist die Hauptschwierigkeit der HEW-Cyclassics, die durch 20 000 Jedermann-Starter für die Veranstalter zum großen Geschäft werden. Ullrich gewann das Rennen schon einmal im direkten Anschluss an seinen Toursieg 1997. Damals genoss das Rennen aber weder Weltcup-Status noch hatte es den heutigen ProTour-Segen.
Spannung außerhalb des Parcours versprechen besonders Verhandlungen mit Erik Zabel. «Wir unterhalten uns vor oder nach dem Rennen und werden die Entscheidung am Montag bekannt geben», sagte Team-Manager Olaf Ludwig. Der vom Tour-Ausschluss seines Teams noch immer tief getroffene Zabel pokert mit Konkurrenz-Angeboten von Phonak (Schweiz) und Domina Vacanze (Italien). Ludwig bietet ihm zwei weitere Jahre als Aktiver und im Auftrag seines Arbeitgebers eine Weiterbeschäftigung als Repräsentant für T-Mobile.
Der 35-jährige Zabel regte als ARD-Kommentator während der Tour öffentlich eine Aufstockung der gebotenen Bezüge («Nach 13 Jahren Telekom habe ich ein sehr gutes Angebot verdient») an. Ob Ludwig beim Vertragspoker mitgehen kann oder will ließ er offen: «Über Vertragsinhalte rede ich nicht. »