Berlin (dpa) - Trotz erdrückender Indizien-Last spielt Jan Ullrich weiter das Unschuldslamm. Der am 26. Februar zurückgetretene Radprofi untermauerte seine Haltung, sieht sich weiter frei von Doping-Schuld und wittert eine Medienkampagne.
«Auch die jüngsten Ereignisse und Meldungen ändern absolut nichts daran, dass ich ein reines Gewissen habe. Ich habe in meiner ganzen Karriere niemanden betrogen oder ausgenutzt und kann keinen Fehler eingestehen, wo kein Fehler ist», beteuerte der ehemalige T-Mobile- Kapitän sechs Tage nach der positiven DNA-Analyse der Blutbeutel aus Madrid in einer ersten Stellungnahme auf seiner Internetseite.
Gleichzeitig bangen die übrigen 43 mutmaßlichen Kunden des spanischen Mediziners Eufemiano Fuentes um ihre Arbeitsplätze. Das «deutsche Modell» - über Strafanzeigen erzwungene DNA-Analysen - könnte auch Anwendung auf die übrigen verdächtigten Radprofis finden, die bis auf Jörg Jaksche und einige wie Ullrich zurückgetretene Fahrer längst wieder in Lohn und Brot stehen.
«Die Juristen prüfen jetzt, wie weiter vorzugehen ist. Es geht nicht anders als durch staatlichen Druck - das zeigt das deutsche Muster», sagte Hans-Michael Holczer, Manager des Teams Gerolsteiner, nachdem die Profi-Organisationen vor Beginn der Flandern-Rundfahrt in Brügge DNA-Proben von allen gefordert haben, die in die Affäre Fuentes verstrickt sind. «Der Fall Ullrich hat gezeigt, dass man sehr wohl klären kann, wessen Blut da gefunden wurde», sagte der Franzose Roger Legeay, Teamchef von Crédit Agricole. Alle betroffenen Fahrer müssten sich DNA-Tests unterziehen.
«Es ist nicht einzusehen, warum Strafanzeigen in einem Land mit einer Anti-Doping-Gesetzgebung nicht möglich ein sollen.» Damit meinte Holczer Italien und indirekt Ivan Basso. Verfahren gegen den Giro-Gewinner waren sowohl vom Nationalen Olympischen Komitee Italiens als auch von seinem Landesverband eingestellt worden. Danach verpflichtete der US-Rennstall Discovery Channel den umstrittenen Italiener, der seitdem immer wieder über sein großes Ziel 2007 spricht - Sieg bei der Tour de France. Nach dem Startverzicht des gedopten Toursiegers Floyd Landis (USA) und dem Rücktritt Ullrichs droht durch die Initiative der Profi-Teams nun auch Basso, der ebenfalls Blut in Madrid gelagert haben soll, die Rote Karte für die Tour.
«Ich fürchte mich vor keinem Verfahren, keinem Staatsanwalt und keinem Verband», erklärte Ullrich. «Teilweise manipulierende Medienberichte» würden «bewusst» seinen Ruf zerstören. An seine Fans gerichtet, führte er auf seiner Homepage weiter aus: «Auch für mich sind noch sehr viele Fragen offen. Bis zur vollständigen Klärung meines Falles werde ich mich dazu nicht öffentlich äußern - erst recht nicht auf Druck von außen. Zu gegebener Zeit werde ich Euch meine Sicht der Dinge umfassender schildern und die Fragezeichen in Ausrufezeichen verwandeln.»
Am 2. April hatte die gegen Ullrich wegen Betrugs ermittelnde Staatsanwaltschaft Bonn einen DNA-Abgleich zwischen einer am 1. Februar abgegeben Speichelprobe Ullrichs und dem Inhalt von neun Blutbeuteln aus dem Fuentes-Labor vorgenommen. Die Übereinstimmung war laut Staatsanwalt Friedrich Apostel «zweifelsfrei». Die Blutbeutel waren mit Codenamen versehen. «Überall wo Ullrich draufstand, war Ullrich drin», sagte Apostel, der jetzt auf Material der Schweizer Behörden aus der Hausdurchsuchung in Ullrichs Villa wartet.
Vor Ostern hatte sich die Politik in den Fall Ullrich eingeschaltet. Peter Danckert, der Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, hatte den Ex-Profi etwas blauäugig aufgefordert, vor dem Gremium auszupacken. Damit dürfte kaum zu rechnen sein. Aus belgischen Radsportkreisen verlautete indessen, Fuentes könnte seine überaus lukrativen, illegalen Tätigkeiten bereits wieder aufgenommen haben.