Bayonne (dpa) - Alles läuft bei der 90. Tour de France auf den großen Showdown zwischen Lance Armstrong und Jan Ullrich beim Zeitfahren hin. Auch wenn auf der 16. Etappe Solosieger Tyler Hamilton für die Schlagzeilen sorgte. Die letzte Pyrenäen-Etappe brachte zwischen Pau und Bayonne nach 197,5 km keine Veränderung im Gesamtklassement zwischen den beiden Tour-Giganten.
Der 31-jährige Seriensieger aus Texas, auf dem besten Weg mit dem fünf Mal hintereinander erfolgreichen Miguel Indurain gleichzuziehen, geht mit 1:07 Minuten Vorsprung auf seinen Herausforderer in die letzten vier Tour-Etappen.
Auf dem 16. Tagesabschnitt stand aber ein anderer Amerikaner im Mittelpunkt. Tyler Hamilton, der «König der Schmerzen», der 140 Km vor dem Ziel zu einer Spitzengruppe stieß und sich bald danach absetzte, siegte im Alleingang. «Es war der härteste Tag meines Lebens», sagte er anschließend. Seit dem Massensturz auf der 1. Tour- Etappe ist der 32-Jährige, von der «L'Equipe» mit dem Prädikat «Vater Courage» bedacht, mit einem lädierten Schlüsselbein unterwegs. In Bayonne rutschte er auf den 6. Platz vor. Erik Zabel (Unna) spurtete an der Spitze des Feldes 1:55 Minuten später auf den zweiten Platz und holte sich wertvolle Punkte in der Wertung für das Grüne Trikot. Er rückte auf Rang drei vor.
«Mein besonderer Dank gilt meinem Team, das mich heute vormittag wieder ans Feld geführt hatte, nachdem ich kurz den Kontakt verloren hatte», sagte Hamilton. Nachdem er wieder Anschluss gefunden hatte, startete er seinen ziemlich verzweifelt wirkenden Angriff auf eine bessere Platzierung im Gesamtklassement. Der am Start Siebte, seit seinem Sturz von Meaux trotz eines doppelten Haarrisses im Schlüsselbein weiter im Rennen, nahm die letzte Steigung der Jubiläums-Tour im Alleingang. Am Gipfel des Bagarguy hatte der ehemalige Team-Kollege von Armstrong über vier Minuten Vorsprung auf das Feld, an deren Spitze sich der Träger des Gelben Trikots und Ullrich gegenseitig in Manndeckung genommen hatten. Vor dem unbeugsamen CSC-Kapitän Hamilton lagen noch 87 km bis ins Ziel - ein aussichtsloses erscheinendes Unterfangen.
Aber die Umstände und Interessen der Topfahrer spielten ihm in die Hände. Am Schluss nützte es auch nicht mehr viel, dass sich die Telekom-Mannschaft als Tempomacher für Zabel und Winokurow vor das Feld spannte. Der Magenta farbene Express rollte auf den letzten 45 km und ebnete Zabel so den Weg zum zweiten Platz und dezimierte den Vorsprung Hamiltons im Hinblick auf den dritten Platz des Olympia- Zweiten Winokurow. «Die Entscheidung um den Toursieg fällt am Samstag», sagte Bianchi-Teamchef Rudy Pevenage in Bayonne.
In der ersten Stunde des Rennens setzten die Fahrer ihren unglaublichen Parforceritt der Geburtstags-Tour mit über 48 Km/h fort und sind damit weiter auf Rekordfahrt. Nach den großen Pyrenäen- Etappen lag der Gesamtdurchschnitt (40,30 Km/h) über dem bisherigen absoluten Rekord in 100 Jahren Tour, den Armstrong 1999 bei seinem ersten Sieg mit 40,27 aufgestellt hatte. Die restlichen Etappen versprechen eine weitere Steigerung. Der französische Sport- Wissenschaftler Antoine Vayser behauptete am Mittwoch, der Kraftaufwand des augenblicklich Zehnten der Gesamtwertung hätte noch Anfang der 90er Jahre zum Toursieg gereicht.
In diesem Zusammenhang interessant: Bisher störten keinerlei Doping-Nachrichten die Tour-Feierlichkeiten. Am Morgen des Ruhetages nach dem eindrucksvollen Armstrong-Sieg in Luz Ardiden waren die Blut-Kontrolleure - auch bei dem Texaner - ohne auffälliges Ergebnis. Alle Doping-Proben, die in der erst Tour-Woche auch unter Aufsicht der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA standen, waren bisher negativ. Jedenfalls wurden noch keine positiven Ergebnisse bekannt.