Sedan (dpa) - Auf dem dornenreichen Weg nach Paris hat die «Tour der Leiden» ihre ersten Opfer gefordert, ihrer langen Heldensaga aber auch den nächsten Protagonisten hinzu gefügt. Für Mitfavorit Tyler Hamilton ist die 90. Tour de France gelaufen, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat.
Doch Aufgeben kommt trotz eines doppelten Schlüsselbeinbruchs für den schmächtigen US-Boy noch nicht in Frage.
«Es tut sehr weh, ich kann kaum schlafen. Im Moment entscheiden wir von Tag zu Tag, ob es weitergeht», sagt der 32-Jährige vom dänischen CSC-Team unter der Regie von Ex-Telekom-Profi Bjarne Riis, dem Tour-Sieger von 1996. Hamilton hat sich zumindest ein Nahziel gesetzt: «Ich will unbedingt bis zum Mannschaftszeitfahren am Mittwoch durchhalten. Mein Team braucht mich.»
Zwei Stunden wurde der einstige Edelhelfer von Lance Armstrong nach dem Massensturz am Sonntagabend in Meaux behandelt, weitere anderthalb Stunden vor der 2. Etappe. Erst eine Stunde vor dem Start entschloss er sich, es zu versuchen. Auch vor der nicht allzu anspruchsvollen 3. Etappe hatten die Betreuer reichlich Arbeit mit dem Anlegen der straffen Verbände.
Doch ohne Schmerzmittel könnte auch Hamilton nicht auf sein Rad steigen und über die Hügel der Ardennen rollen, obwohl er im vorigen Jahr mit einem angebrochenen Schulterblatt Zweiter beim Giro d'Italia wurde. In dieser Saison hatte er sich als Sieger von Lüttich- Bastogne-Lüttich und der Tour de Romandie als Armstrong- Herausforderer profiliert.
Trotz seiner Schmerzen ist er in Frankreich auch Medienprofi genug, geduldig alle Fragen zu beantworten und sich ein Lächeln abzuringen. Teamchef Riis lässt dagegen den Kopf hängen: «Es tut mir so Leid für ihn, aber so läuft das eben. Das Leben geht weiter», sagt Riis und äußert großen Respekt vor der Leidensfähigkeit von Hamilton. «Es ist fantastisch, verrückt. Er kann in den Bergen fahren - ob er es schnell genug kann, ist eine andere Frage. Ich erwarte gar nichts und will jetzt noch nicht an Paris denken.» Neuer starker Mann im CSC-Team soll bis dahin der letztjährige Tour-Zehnte Carlos Sastre aus Spanien sein, denn das Ende für Hamilton ist absehbar.
Anderen vor ihm ging es nach Schlüsselbeinbrüchen nicht besser: Der Franzose Laurent Fignon gewann 1983 die Tour, nachdem sein in Gelb fahrender Landsmann Pascal Simon nicht mehr durchhielt. 1991 verlor der Däne Rolf Sörensen das Gelbe Trikot durch Aufgabe. Alex Zülles Schulter wurde 1997 von 16 Schrauben zusammen gehalten, er schaffte trotzdem nicht mehr als die erste Tour-Woche.
Gar nicht erst antreten konnte am Samstag Telekom-Neuverpflichtung Cadel Evans, neben dem letztjährigen Giro-Sieger Paolo Savoldelli der zweite prominente Ausfall bei den Bonnern: Der Australier brach sich beim Amstel Gold Race im April das Schlüsselbein, Ende Mai passierte ihm beim Hainleite-Rennen in Erfurt dieses Missgeschick noch einmal.