Berlin (dpa) - Bei der Tour de France 1977 trug er als 22-jähriger Neuling 15 Tage lang das Gelbe Trikot und avanciert zum deutschen Radsporthelden. Gestern ist Dietrich «Didi» Thurau 60 Jahre alt geworden.
Auch bei den Franzosen erlangte «Didi Thürooooo» mit seinem starken Tour-Debüt eine enorme Popularität. «Seit Konrad Adenauer hat keiner mehr für die deutsch-französische Freundschaft getan als Didi Thurau», sagte der damalige Pariser Bürgermeister und spätere Staatspräsident Jacques Chirac über Thurau.
Der am 9. November 1954 in Frankfurt am Main geborene Thurau gab damals schon enien Vorgeschmack auf Jan Ullrich. Auch wenn er in Paris nie ganz oben stand, hatten seine 15 Tage im Gelben Trikot Deutschland in einen kollektiven Tour-de-France-Rausch versetzt. Es gibt noch mehr Parallelen zwischen dem einzigen deutschen Toursieger und Thurau.
Sein Riesentalent nicht ausgeschöpft
Seit Jahren wohnt Thurau in Ullrichs Nachbarschaft auf der Schweizer Seite des Bodensees. Zum Eintritt in sein 60. Lebensjahr, den er nicht große feiern wollte, scheint sein eigener Fitnesszustand so gar nicht zu passen. «Ich spiele Tennis fast wie ein Profi», sagt Thurau, der seinen Ehrentag in der Türkei verbrachte, wo er seinem Sohn Urs (19) bei einem Nachwuchs-Turnier als Betreuer und Tennis-Trainer zur Seite stand. Der Junior soll einmal in Wimbledon von sich reden machen.
Auch Thurau wurde wie Ullrich immer vorgeworfen - und er tut es im Rückblick sogar selbst - sein Riesentalent nicht ausgeschöpft zu haben. Für die Franzosen war er wegen seines eleganten Fahrstils der «Blonde Engel», für manch andere eher die Skandalnudel mit eiskaltem Instinkt für das große Geld. In 15 Profijahren verzauberte und schockte der unbekümmerte «Didi» seine Fans bis 1989.
Sein Tour-Debüt mit 22 Jahren, das er mit Rang fünf abschloss, geriet 20 Jahre vor Ullrichs Höhenflug zu einer viel beachteten Gala. «Mein bestes Jahr», erinnert sich Thurau. Außerdem sammelte der Weltmeister im Bahnvierer Etappensiege bei Giro und Vuelta und gewann 1979 Lüttich-Bastogne-Lüttich. Er steht noch immer als einziger deutscher Radprofi der Nachkriegszeit in der Siegerliste dieses ältesten Klassikers. Zwei aufgeflogene Dopingversuche bei der Tour 1980 und 1987, die Prügel für einen belgischen Kommissär, der ihn angeblich ungerecht behandelte und ein wahrscheinlich verschenkter WM-Titel warfen Schatten auf die glänzende Fassade Thuraus.
Noch heute windet er sich etwas bei dem Thema. «Ich war total kaputt», antwortet er auf die Frage, ob er im entscheidenden Sprint gegen Francesco Moser in Venezuela 1977 den letzten Tritt ausgelassen habe. Andere schwierige Themen sprach er in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa offen an. «Wir haben uns früher sicher auch einiges reingehauen, aber was da von Armstrong und Ullrich bekannt wurde - da bekommt man es ja mit der Angst zu tun. Was mit EPO abging, war lebensgefährlich. Bei uns war’s harmlos.»
Sohn Björn fährt künftig für Bora-Argon 18
Die heutige Rennfahrer-Generation, zu der auch sein zweiter Sohn Björn gehört, der für das französische Team Europcar fährt, sieht er weniger gefährdet. Der eingetretene Wandel im Radsport sei sicht- und spürbar, aber Manipulation weiter ein Problem. Er hoffe, sein Sohn, der nach einer starken Saison 2014 im kommenden Jahr mit seinem neuen deutschen Team Bora-Argon 18 vor dem Tour-Debüt steht, habe mit Doping «nichts zu tun».
So richtig kommt er an seinen 26-jährigen Junior nicht mehr heran. Der sei - das muss dem Senior bekannt vorkommen - in gewissem Sinn beratungsresistent. «Ich gebe ihm schon manchmal Tipps, aber er setzt sie nicht so um. Er will auch nicht zu mir in die Schweiz kommen, wo er viel besser trainieren könnte als bei sich in Fulda», berichtete Thurau, der seit Karriereende als Radprofi weiter mit Immobilien handelt und sich als alleinerziehender Vater hauptsächlich um den jüngeren Filius kümmert.
Wenn das gestrige Geburtstagskind, das zu aktiven Zeiten auch mit dem späteren Ullrich-Lenker Rudy Pevenage in einem Team fuhr, noch einmal wählen könnte, würde Thurau Tennis-Profi werden wollen. «Die Gefahr, seine Gesundheit mit Doping zu schädigen, ist in diesem Sport geringer und du kannst viel Geld verdienen.»
Team Bora verpflichtet Björn Thurau