Kopenhagen (dpa) - Der Bart ist ab. Noch mit der Goldmedaille um den Hals wurde Sprint-Weltmeister Sean Eadie sein Markenzeichen los.
Mit geschickter Hand und einem Elektrorasierer hatte der Franzose Arnaud Tournant eine diebische Freude daran, endlich das zu tun, was er und alle anderen Konkurrenten während der Sprint-Rennen bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften in Kopenhagen nicht schafften: Der WM-Vierte rasierte den Champion.
«Ich habe ihm versprochen, wenn ich hier gewinne, darf er mein persönlicher Friseur sein», erzählte Eadie schmunzelnd und nahm den Kahlschlag mit Humor. «Es fühlt sich kalt an», meinte Eadie danach im Innenraum der «Siemens Arena» und strich sich noch etwas irritiert über das Gesicht, wo noch kurz zuvor sein schwarzer Vollbart prangte. Seit 23. Mai dieses Jahres hatte der weltbeste Sprinter sich nicht mehr rasiert: «Das war ein Helm fürs Gesicht.»
Überhaupt war jener 23. Mai ein wichtiger Tag für den 33 Jahre alten Lehrer aus Sydney. «Das war das letzte Mal, dass ich mich rasiert habe, das war das letzte Mal, dass ich ein Bier getrunken habe, das war das letzte Mal, dass ich überhaupt irgendetwas hatte», berichtete Eadie. Dem Bier-Mangel wurde schnell abgeholfen. Noch auf dem Weg zur Siegerehrung leerte Eadie genüsslich einen Plastikbecher mit dem Frischgetränk.
Nach dem Verlust seines Markenzeichens, das den 90 kg schweren und 1,77 m großen Sprinter aus der Entfernung wie einen Freizeit-Radfahrer erscheinen ließ, muss sich Eadie nun vor seinen Starts ein neues Ritual einfallen lassen. Denn bislang murmelte er in der Konzentrationsphase stets etwas in seinen Bart. «Das ist wie bei einem Formel 1-Wagen: Der Motor läuft und ich gehe in meinem Kopf die Checkliste durch», erläuterte der eindeutige Publikumsliebling von Kopenhagen.
Mit «Eadie, Eadie, Eadie»-Sprechchören feuerten die Zuschauer den amtierenden australischen Meister an und trieben ihn im Finale zu 2:1 Siegen über seinen Landsmann Jobie Dajka. «Das Publikum hat mir den letzten Kick gegeben», lobte der Weltmeister nach seinem größten Erfolg. Am lautesten angefeuert wurde er aber von seinem 16-jährigen Bruder. Der am Down Syndrom erkrankte Michael saß zusammen mit den Eltern Barry und Barbara auf der Tribüne.
Mit seinem Sprint-Erfolg hat Eadie nicht nur seinen bisher größten Erfolg, die WM-Silbermedaille im Team-Sprint 2001, übertroffen, sondern auch die Leistung der gesamten australischen Mannschaft gekrönt. Vier Mal Gold, fünf Mal Silber und vier Mal Bronze bedeuteten für die Bahnrad-Sportler vom Fünften Kontinent das beste Abschneiden in der WM-Geschichte.