La Rosière (dpa) - Mit einem lauten Schrei auf der Ziellinie feierte Geraint Thomas seinen Tour-Coup. Marcel Kittel dagegen wollte nach einem Tag zum Vergessen und dem Aus bei der Tour de France nur noch weg.
«Wo ist mein Hotel?!», brüllte der Sprinter seinen Betreuern im Ziel der 11. Etappe zu, nachdem er das Zeitlimit verpasst hatte und abreisen muss. Vor einem Jahr war Kittel als fünfmaliger Etappensieger noch der Held - jetzt ist er der große Verlierer.
Der Waliser Thomas konnte sich im Ziel der ersten Bergankunft als Tageschampion und neuer Gesamtführender feiern lassen, den gelben Blumenstrauß warf er britisch cool in die Fans. Dank einer Machtdemonstration haben Thomas und sein Superteam Sky um Titelverteidiger Chris Froome die Konkurrenz der Frankreich-Rundfahrt geschockt. Scheinbar mühelos parierte der Radrennstall alle Attacken vor der Ankunft hoch oben an der Skistation La Rosière und geht mit zwei Fahrern an der Spitze der Gesamtwertung in die Kletterei am Donnerstag nach L'Alpe d'Huez.
Kittel, der einen dritten Platz zum Auftakt als magere Tour-Ausbeute präsentiert, wird dann am Start fehlen. Der Thüringer verpasste am Mittwoch auf der kurzen und knüppelharten Etappe als abgehängter Fahrer die Karenzzeit um mehr als zehn Minuten und muss zum dritten Mal nach 2012 und 2017 vorzeitig absteigen. Neben dem 30-Jährigen erwischte es auch den einstigen Sprinterkönig Mark Cavendish - der britische Ex-Weltmeister kam sogar noch nach Kittel im Ziel an.
Als beide den Berg erklommen hatten, war Thomas mit der Siegerehrung schon längst durch. «Den Berg zu gewinnen ist etwas spezielles. Ich habe nicht damit gerechnet», sagte er. «Das Gelbe Trikot zu tragen, ist immer eine große Ehre.» Schon im vorigen Jahr war er für vier Tage Tour-Leader, ehe er nach einem Sturz aufgeben musste.
Deutsche Fahrer hatten mit den vorderen Rängen nichts zu tun, im Gegensatz zu Kittel schafften es Sprinter André Greipel und der Roubaix-Sieger John Degenkolb aber im Zeitlimit ins Ziel.
Nach den Eindrücken der ersten Bergankunft der Grande Boucle wird der Gesamtsieg zwischen den zwei Briten und dem Niederländer Tom Dumoulin entschieden. «Froomey ist der Leader», sagte Thomas zum internen Konkurrenzkampf mit dem viermaligen Tour-Sieger. «Unsere Stärke ist der Zusammenhalt im Team, es gibt keinen Egoismus. Jetzt freue ich mich erstmal über mein Gelbes Trikot, dann sehen wir weiter.»
Sunweb-Kapitän Dumoulin sicherte sich im Sprint vor Froome Tages-Platz zwei und hat im Gesamtklassement als Dritter 1:44 Minuten Rückstand auf Thomas. Froome rangiert 1:25 Minuten hinter Thomas, der kurz vor dem Ziel aus der Favoritengruppe heraus attackierte und dem Belgier Greg Van Avermaet erwartungsgemäß Gelb abnahm.
«Wenn Sky richtige Prioritäten setzt, werden sie wieder gewinnen», sagte Dumoulins Teamchef Iwan Spekenbrink. «Wir konnten heute mithalten.» Mehr glückte auf dem Teilstück über 108,5 Kilometern aber nicht. Dumoulin - im Frühjahr Zweiter des Giro d'Italia hinter Froome - konnte immerhin noch mithalten mit den Sky-Kapitänen. Andere Podiumskandidaten wie Romain Bardet, Vincenzo Nibali und Nairo Quintana verloren bei der ersten Bergankunft der Tour dagegen Zeit.
Anders als am Dienstag, als die Herausforderer noch auf Attacken verzichteten, zogen nun keine Ausreden mehr. Am zweiten schweren Berg des Tages übernahm das Team Movistar des Kapitäns-Trios Alejandro Valverde, Quintana und Mikel Landa die Initiative und zog das Tempo an. Prompt fiel der Gesamtführende Van Avermaet zurück - seine Tage als Gelb-Träger waren erwartungsgemäß gezählt. Auch der letztjährige Gesamtzweite Rigoberto Uran aus Kolumbien konnte nicht mehr folgen.
Unmittelbar nach der Tempoverschärfung wagte der spanische Routinier Valverde den Alleingang und ließ das Hauptfeld hinter sich. Zwischenzeitlich fuhr er einen Vorsprung von zwei Minuten heraus und konnte vom ersten Gelben Trikot nach zehn Jahren Pause träumen. Aber der 38-Jährige wurde zu Beginn der Schlusssteigung wieder eingeholt.
Dumoulin hatte es da schon auf der letzten Abfahrt probiert und sich einen Vorsprung vor der finalen Kletterei hoch nach La Rosière erarbeitet. Lange sah es so aus, als könnte er sich in der Spitzengruppe behaupten - doch dann zündete Thomas den Turbo.
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