Paris (dpa) - Der Tod Tom Simpsons offenbarte einem entsetzten Millionen-Publikum an den Fernsehschirmen, was schon vor dem 13. Juli 1967 längst kein Geheimnis mehr war. Die Geschichte der Tour de France ist untrennbar mit Doping verbunden.
Bevor der Brite am Mont Ventoux am Straßenrand starb, hatten Zuschauer ihn nach einem Sturz wieder auf das Rad gehoben. Doch Simpson fuhr in der unbarmherzigen Gluthitze nur noch Zickzack, bevor er erneut fiel. Dem unter Flüssigkeitsverlust leidenden Weltmeister wurde bei der Obduktion die Einnahme von Amphetaminen und Alkohol nachgewiesen.
Zwölf Jahre zuvor entging der Franzose Jean Malléjac am berüchtigten Berg des Windes in der Provence nur knapp Simpsons Schicksal. Auch Malléjac hatte sich aufgeputscht. Sein Betreuer, der sich auch um Tour-Sieger Charly Gaul aus Luxemburg kümmerte, wurde ausgeschlossen. Gaul fiel 1959 bei einer Zoll-Kontrolle wegen des Besitzes von Amphetaminen auf. Von Aufputschmitteln, aber auch vom Opiat Palfium war die Rede, nachdem Tour-Favorit Roger Rivière 1960 bei einer Pyrenäen-Abfahrt 50 Meter tief stürzte und sich die Wirbelsäule brach. Der womöglich erste Doping-Fall bei der Tour wurde 1911 aktenkundig: Paul Duboc sei nach dem Genuss einer «zweifelhaften Flüssigkeit» Opfer einer Vergiftung gewesen und gab auf.
«Ich hoffe, dass sich beim 100. Geburtstag alles auf den Sport konzentriert, weil die Zeiten des Dopings vorbei sind», sagte Manolo Saiz, der Sportliche Leiter des spanischen Once-Teams, während der Deutschland-Tour. Realistischer ist Lance Armstrong, der seinen fünften Gesamtsieg nacheinander anpeilt. Schon 1999 schwante dem Amerikaner mit Blick auf Doping-Anschuldigungen: «Ich fürchte, dass diese Belastung jeder Tour-Sieger in den kommenden Jahren ertragen muss.» Falsch: Schon 1988 wurde dem Spanier Pedro Delgado nach seinem Triumph das Doping verschleiernde Mittel Probenecid nachgewiesen, das der Rad-Weltverband UCI aber erst 15 Tage nach der Rundfahrt verbot.
Der von Hodenkrebs genesene Armstrong war 1999 mit einer kortikoid-haltigen Salbe aufgefallen, mit der er sich nach eigenen Angaben wegen Sitzbeschwerden einschmierte. Die Zusammenarbeit mit dem italienischen Mediziner Michele Ferrari bescherte dem Texaner weit größeres Misstrauen. Ferrari muss sich vor der italienischen Justiz wegen der Verabreichung von Dopingmitteln verantworten. «Ich habe einen zweifelhaften Ruf, weil ich Radprofi bin», sagt Armstrong, dessen Siegesserie ein Jahr nach einem weiteren Tour-Skandal begann.
Als 1998 der Festina-Betreuer Willy Voet aus Belgien vor dem Start in Irland vom Zoll mit dem Blut-Doping-Mittel EPO, Wachstumshormonen und Anabolika ertappt wurde, war dies der Anfang einer unvergleichlichen Frankreich-Rundfahrt. Es folgten Polizei-Razzien, Festnahmen von Fahrern und Betreuern, der Ausschluss des Teams Festina um Richard Virenque, die Flucht einiger Mannschaften und ein Prozess in Lille mit Bewährungsstrafen.
Das Unrechtsbewusstsein scheint indes gering. Die Gebrüder Francis und Henri Pélissier wollten 1924 mit dem Eingeständnis, Kokain und Chloroform zu missbrauchen, die Veranstalter anklagen. Beide hatten nach der dritten Etappe der damals 5425 Kilometer langen Rundfahrt aufgegeben. Der Belgier Michel Pollentier, der schon im Jahr zuvor für einen Monat auf Bewährung gesperrt war, wurde 1978 von der Tour ausgeschlossen. Pollentier hatte sich in L'Alpe d'Huez gerade das Gelbe Trikot geholt. Bei der Dopingprobe missglückte sein Versuch, sie mit Hilfe einer unter der Achsel versteckten Plastikflache zu manipulieren.
Rudi Altig äußerte nach seiner positiven Probe im Jahr 1969: «Wir sind keine Sportler, wir sind Profis.» Der heutige Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc kontert: «Diese Ansicht ist unannehmbar. Sportler sind dazu verpflichtet, Vorbilder zu sein.» Auch Dietrich Thurau sorgte aus deutscher Sicht für Negativ-Schlagzeilen, er fiel 1987 bei der Tour - wie schon viele vor ihm - mit Amphetaminen auf. Der zweifache Tour-Sieger Fausto Coppi nannte sie «La Bomba». In den 50er Jahren erklärte er dem italienischen Fernsehen, alle Fahrer würden davon nehmen - auch er, «wenn es nötig ist». Auf die Frage, wann das sei, antwortete Coppi: «Praktisch die gesamte Zeit.»