Paris/Hamburg (dpa) - Der krisengeplagte Radsport will zum Befreiungsschlag ausholen. Auf einem in der Sportgeschichte beispiellosen Anti-Doping-Gipfel soll in Paris der Weg in eine sauberere Zukunft geebnet werden.
Auf Einladung der neuen französischen Sportministerin Roselyne Bachelot-Narquin werden und am 23. Oktober 150 Teilnehmer - Vertreter des Weltverbands UCI, der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, der Teams, der Fahrer sowie der großen Renn-Veranstalter - über einen Weg aus der Sackgasse beraten.
«Wir müssen so ein Treffen abhalten und sehen, was alles getan werden kann, um die Glaubwürdigkeit und Integrität des Radsports wiederherzustellen», sagte WADA-Präsident Richard Pound im Vorfeld des Gipfels, denn die Sportart, bei der Millionen umgesetzt werden, hat nach zahlreichen Doping-Fällen und Gerichtsprozessen ein desaströses Jahr hinter sich. «Das steht ein anständiger Druck dahinter, auch der französischen Regierung. Ich rechne mit Beschlüssen zur Bewertung und Einstufung von Blutprofilen der Fahrer», sagte Gerolsteiner-Chef Hans-Michael Holczer, der beim Gipfel sein wird.
Es passte ins Bild, dass auch das letzte große Rennen der Saison, das der Italiener Damiano Cunego nach 242 Kilometer für sich entschied, von einem Skandal überschattet wurde. Bei der 101. Lombardei-Rundfahrt sicherte sich der Australier Cadel Evans nach Rang sechs in Como mit 247 Punkten den Gesamtsieg der ProTour-Wertung - wenn auch dank des Ausschlusses des zuvor Führenden Danilo di Luca. Der Italiener war wegen seiner Kontakte zum verurteilten Doping-Arzt Carlo Santuccione für drei Monate gesperrt und aus der Wertung der ProTour-Wertung genommen worden, die 2008 mit anderen Wertungskriterien weiter an Bedeutung verlieren wird. Di Luca kündigte an, vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS zu klagen: «Falls ich gewinne, muss mir die UCI den ProTour-Titel zurückgeben.»
Es wäre nicht der erste Wettbewerb, der in diesem Jahr juristisch entschieden wird. Schon bei der Straßen-WM in Stuttgart hatte der spätere Titelträger Paolo Bettini seinen Start eingeklagt. Doch mit all den Querelen und Doping-Fällen der vergangenen Monate soll nach dem großen Gipfel in Paris Schluss sein. «Ziel des Treffens ist, aus dem Radsport ein Experimentierfeld im Anti-Doping-Kampf zu machen, aus dem Lehren für andere Sportarten gezogen werden können», sagte Ministerin Bachelot-Narquin, die betonte: «Wir wollen keinen intellektuellen Small Talk veranstalten, sondern konkrete Aktionen auf den Weg bringen.» So soll die rasche Einführung von individuellen Pässen beschlossen werden, auf denen die Ergebnisse sämtlicher Blut- und Urinkontrollen jedes Profis notiert werden.
Die deutschen Vertreter mit BDR-Chef Rudolf Scharping an der Spitze wollten das «Who is Who»-Treffen des Radsports nicht mit zu großen Erwartungen überfrachten. «Ich schaue mir das Ganze einfach mal an», sagte Scharping. Neben dem Präsidenten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) und Holczer werden Deutschland-Tour-Chef Kai Rapp und der Dopingrechts-Experte Ulrich Haas an den vier Runden-Tisch- Gesprächen teilnehmen.
Holczer rechnet damit, dass die Organisatoren der Tour de France, die am Donnerstag in Paris die Frankreich-Rundfahrt 2008 präsentieren, schon bald von den als Starter in Frage kommenden Teams einen Kader von etwa 15 Fahrern genannt haben wollen. Die könnten dann gezielt und verstärkt voruntersucht werden. Holczer: «Die Affären dieses Jahres um Rasmussen und weitere Profis haben der Tour gereicht».