Berlin (dpa) - Topleistungen auch in fortgeschrittenem Alter liegen Jeannie Longo wohl irgendwie im Blut. Ihr Vater stieg mit 75 auf den Mont Blanc, ihre Mutter mit 80 noch auf die Ski.
Auch die Ikone des französischen Radsports aus Grenoble, die ihren 50. Geburtstag feiert, ist noch immer nicht am Ende ihrer höchst bemerkenswerten sportlichen Karriere angekommen. Nach ihrem sensationellen vierten Platz im Zeitfahren bei den Olympischen Spielen in Peking verabschiedete sich Jeannie Longo mit der Bemerkung, die nicht wenige als Drohung verstanden: «Vielleicht sehen wir uns in London wieder.»
Auf die Frage «Welche Pläne haben Sie noch?» im Interview mit dem Fachblatt «Tour» sagte die Ausnahme-Athletin, die eher etwas spröden Charme versprüht: «Das werden wir sehen.» Also: Wie immer ist alles möglich bei «La Longo», die in Peking seit Los Angeles ihre siebten Spiele in Serie absolvierte und nur hauchdünn an ihrer vierten Olympia-Medaille vorbeifuhr. 13 Mal war Jeannie Longo, seit 1987 kinderlos mit dem Skilehrer Patrice Ciprelli verheiratet, Weltmeisterin, 55 Mal französische Meisterin. Ihr Stunden-Weltrekord (nach altem UCI-Reglement) liegt bei 48,159 Kilometer. Statistiker zählten auf ihrem Erfolgsweg insgesamt 1019 Siege.
Hanka Kupfernagel, im August auf dem Zeitfahr-Kurs von Juyogguan 43 Sekunden langsamer als die nimmermüde Französin, die unter ihrem Namen Nahrungs-Ergänzungsmittel vertreibt, ist schon lange ein glühender Longo-Fan. «Das erste, was ich international im Frauen- Radsport wahrgenommen habe, als ich anfing, war Jeannie. Wir haben uns die ganzen Jahre sehr gut verstanden. Ich finde es bewundernswert, wie man mit so viel Disziplin so lange dabei sein kann», sagte die zu diesem Zeitpunkt noch amtierende 34-jährige Zeitfahr-Weltmeisterin in Peking. Beide verbindet neben sportlichen Höchstleitungen eine gewisse Dickköpfigkeit.
Über ihr Karriere-Ende spricht die Grande Dame des Radsports so gut wie nie. Das könne sie sich gar nicht vorstellen, sagte Jeannie Longo im «Tour»-Interview. «Das schlimmste wird für mich das Versagen sein, nicht mithalten zu können mit den anderen. Alt werden ist ungerecht und mühselig.»