Nürnberg (dpa) - Selbst als Wasserträger war sich Nils Politt vor seinem ersten Gesamtsieg bei einem Mehretappenrennen nicht zu schade. «Nur weil man das Leadertrikot anhat, kann man auch ruhig mal ein paar Flaschen holen», sagte der 27 Jahre alte Radprofi aus Köln kurz nach seinem Gesamtsieg bei der 36. Auflage der Deutschland Tour.
Nach zuvor kräfteraubenden 156,3 Kilometern von Erlangen nach Nürnberg konnte sich Politt rund sieben Wochen nach seinem Etappensieg bei der Tour nun auch den Gesamtsieg bei der Rundfahrt in heimischen Gefilden sichern. «Man kann schon sagen, dass die Hütte zwischendurch gebrannt hat. Die anderen Teams haben uns das Leben heute richtig schwer gemacht», bilanzierte der lange Schlaks aus dem Rheinland.
Im Jahr 2018 konnte Politt die Rundfahrt bereits als Gesamtzweiter beenden - diesmal reichte es für den ersten Platz auf dem Abschlusspodium bei strömendem Regen in Nürnberg. Mit vier Sekunden Vorsprung konnte sich Politt in der Endabrechnung nach insgesamt 720,5 Kilometern vom Start in Stralsund ins Frankenland vor seinem Teamkollegen Pascal Ackermann und dem Norweger Alexander Kristoff behaupten. Dem viermaligen Tour-de-France-Etappensieger musste sich Ackermann im finalen Zielsprint nach anspruchsvollen 156,3 Kilometern von Erlangen nach Nürnberg geschlagen geben und verpasste somit seinen zweiten Tageserfolg bei der viertägigen Rundfahrt.
«Erster und Zweiter in der Gesamtwertung, zwei Etappensiege - besser kann man eine Rundfahrt nicht abschließen», erklärte Politt, der am Vortag nach seinem Etappensieg in Erlangen das Rote Trikot von Ackermann übernommen hatte. Ackermann wiederum hatte den Auftakt in Schwerin für sich entschieden. «So wie Nils heute gefahren ist, hat er absolut verdient gewonnen. Hätte ich heute die Etappe und die Gesamtwertung geholt, hätte ich nicht verdient gewonnen. Ich war den ganzen Tag am Limit und musste schauen, dass ich überhaupt dranbleibe - und Nils ist die ganze Zeit vorne rumgeschraubt», bekannte Ackermann, der im nächsten Jahr für das Team UAE-Emirates von Tour-Sieger Tadej Pogacar aus Slowenien um Siege sprintet.
Geprägt war der Schlusstag mit insgesamt sechs Bergwertungen und vielen giftigen Anstiegen erwartungsgemäß von zahlreichen Attacken und erneut teils heftigem Regen. Immer wieder mussten die Bora-Profis Angriffen nachgehen, um ihre Siegchance bis ins Ziel nach Nürnberg noch wahren zu können. Aus Mangel an Helfern spannte sich Politt selber an die Spitze der rund 30 Fahrer starken Verfolgergruppe. Mit Erfolg - fünf Kilometer vor dem Ziel wurde der Belgier Dylan Teuns, der auch noch auf den Gesamtsieg in Nürnberg hoffen durfte, gestellt.
«Ob Pascal die Rundfahrt gewinnt oder Nils, ist uns vollkommen egal - Hauptsache wir gewinnen sie. Das ist das Ziel heute. Wir haben eine gute Ausgangsposition, aber es ist noch nichts in trockenen Tüchern», hatte Teamchef Ralph Denk vor dem Start gesagt. Politt krönte sich schließlich zum Nachfolger des Belgiers Jasper Stuyven, der die viertägige Rundfahrt 2019 gewonnen hatte. Im Vorjahr war das Rennen wegen der Corona-Pandemie ausgefallen.