Berlin (dpa) - In den «Fall Ullrich» schaltet sich nun auch die Politik ein: Der Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages, Peter Danckert, hat dem unter Dopingverdacht stehenden Ex-Radstar ein Gespräch unter vier Augen angeboten.
«Ich glaube, Jan Ullrich braucht eine neue Plattform, um in seinem Verhalten umsteuern zu können», sagte der SPD-Politiker der dpa. «Er hat sich in der so genannten Blutdoping-Affäre um den spanischen Arzt Fuentes durch schlechte Ratgeber in eine Situation manövriert, die immer kritischer werden kann.» Dem 33-Jährigen müsse jetzt Gelegenheit gegeben werden, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen. Es gelte, den «Dopingsumpf im Radsport» trocken zu legen, sagte Danckert.
Der Politiker und Jurist geht davon aus, dass das «bestehende Dopingkartell» früher oder später ohnehin aufgedeckt wird. «Es gibt keine plausible Erklärung dafür, dass beim spanischen Arzt viereinhalb Liter Blut in unterschiedlichen Chargen aufgefunden wurden», sagte Danckert. «Jan Ullrich hat sich natürlich nicht selbst das Blut abgezapft, sondern es wurde von Medizinern entnommen. Deshalb müssen wir feststellen, wer hierfür verantwortlich zu machen ist.»
Bei dieser Aufklärung sollte der am 26. Februar zurückgetretene Radprofi mitwirken, ohne dass er sich wegen des bei der Staatsanwaltschaft Bonn anhängigen Ermittlungsverfahrens selbst belaste. Danckert geht davon aus, dass Ullrich wichtige Hinweise geben kann. «Wenn er bei der Aufklärung mitwirkt, verbessert dies sein Renommee», betonte der Bundestagsabgeordnete. Ein DNA-Abgleich hatte ergeben, dass das bei dem mutmaßlichen Doping-Arzt Fuentes gelagerte Blut «zweifelsfrei» (Staatsanwalt Friedrich Apostel) Ullrich zuzurechnen ist.
Danckert hatte vorgeschlagen, der Sportausschuss sollte die Doping-Verstrickungen um Ullrich und im deutschen Radsport generell untersuchen. Der Vorsitzende des Gremiums will hierüber nach den Osterfeiertagen Gespräche mit den sportpolitischen Sprechern der Fraktionen führen, um eine Anhörung an den regulären Sitzungsterminen am 9. oder 23. Mai abzuhalten. Eingeladen werden sollten neben dem Toursieger von 1997 die Freiburger Sportmediziner Lothar Heinrich und Andreas Schmid sowie Funktionäre und Betreuer. Sie sind weiter verantwortlich für die sportmedizinische Betreuung bei T-Mobile. Danckert: «Es besteht keine Verpflichtung zu erscheinen».
T-Mobile-Manager Bob Stapleton, der sein Amt nach der Tour de France antrat, wertete den positiven DNA-Abgleich Ullrichs als «neuen Weckruf für den Sport». In einem Interview mit dem Internetanbieter «cycling-news» erklärte der Amerikaner: «Jetzt haben wir einen weiteren, wissenschaftlichen Beweis, dass Athleten in Doping- Netzwerke verstrickt sind.» Stapleton, der sein Team wieder bei Paris-Roubaix direkt betreuen wird, wünscht sich, dass der «Fall Ullrich» weitere Kreise zieht. «Es kann nicht sein, dass ein Einzelner das volle Gewicht auf seinen Schultern trägt, und es keine anderen Reaktionen gibt», sagte er. Das wäre eine Verzerrung der Realität.
Die 20 ProTour-Mannschaften sieht Stapleton in drei Lager gespalten: «Teams, die den Anti-Doping-Kampf ernst nehmen, jene, die abwarten und die, die aktiv in Doping verwickelte Fahrer beschäftigen und so weitermachen wie bisher.»