Paris (dpa) - Das schnellste Zimmer der Tour de France hat sich selbst am meisten überrascht. «Schumi gewinnt und ich werde Dritter, das ist Wahnsinn», fasste Bernhard Kohl ungläubig das sensationelle Resultat der Tour-Überraschungen aus dem Gerolsteiner-Team zusammen.
Als erster Fahrer seit Rekordsieger Lance Armstrong 2004 gewann Stefan Schumacher beide großen Zeitfahren der Frankreich-Rundfahrt, sein Teamkollege und Zimmernachbar Kohl sicherte sich als erster Österreicher den Titel des Bergkönigs und wurde Gesamtdritter. «Das ist eine Sensation. Daran habe ich in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht», sagte Teamchef Hans-Michael Holczer über seine Top-Argumente bei der Sponsorensuche.
Nicht nur dem 54-jährigen Schwaben fiel es schwer zu sagen, wer ihn von seinen beiden Radprofis mehr beeindruckt hat. «Ich kann einfach noch nicht glauben, was uns gelungen ist, aber wir haben uns Stück für Stück hochgepusht», meinte Schumacher, der nun einer der Topfavoriten für das olympische Zeitfahren am 13. August in Peking ist und dort auf eine gute Platzierung hofft: «Wenn man mit einer guten Form aus der Tour rauskommt, ist das die beste Vorbereitung für Olympia.»
Während dem Klassement-Fahrer Kohl zuvor ein Platz unter den ersten Zehn zugetraut worden war, verblüffte Schumachers permanente Präsenz an der Spitze des Feldes - mal in den Alpen, mal im Sprint, mal im Mittelgebirge - die Experten. Der 27-Jährige traut sich hingegen nach seiner Drei-Wochen-Gala durchaus zu, bei entsprechender Vorbereitung «in die Top Ten» der Tour zu fahren. «Vielleicht verliere ich dann aber meinen Punch und meine Power, um Klassiker zu gewinnen», schränkte der Amstel-Gold-Race-Sieger des Vorjahres ein.
Nach seinem ersten Husarenstreich im Kampf gegen die Uhr am 8. Juli in Cholet, nach dem er sich als 13. Deutscher das «Maillot Jaune» überstreifen durfte, hatte das Tour-Zentralorgan «L'Équipe» in Anspielung auf Schumachers fragwürdige Vergangenheit getitelt: «Ein blasses Gelb». Auch der zweite Coup des Nürtingers dürfte wieder die Zweifler auf den Plan rufen, denn selbst sein Teamchef Holczer hatte zuletzt eingeräumt, dass es einige «Ungereimheiten» in Schumachers «nicht unbedingt makelloser» Vita gebe. Er habe aber «nicht ein Promill Zweifel» an den Fahrern seines Teams.
Den Höhepunkt der Schumacher-Verfehlungen bildete im Oktober 2007 ein Autounfall unter Alkoholeinfluss, nach dem die Polizei auch Spuren von Amphetaminen in seinem Blut fand. Kurz zuvor waren bei ihm direkt vor der WM in Stuttgart erhöhte Blutwerte festgestellt worden. «Drei Spezialisten» (Holczer) schlossen eine Manipulation aus. Nun allerdings ist Schumacher, der bei der Tour zu den am meisten getesteten Profis zählte, zumindest sportlich wieder obenauf.